1. Grundsätzliches
Der häufigste Fehler, der mir bei meiner Arbeit begegnet, ist die viel zu schnelle und oft falsche Interpretation für ein gezeigtes Verhalten. Obwohl wir den Hund in seinem Gefühlserleben durchaus mit uns vergleichen können, ist eine menschliche Interpretation von Hundeverhalten oftmals falsch. Und sie fällt leider auch sehr oft negativ für den Hund aus.
Wir unterteilen Hundeverhalten in wenige Kategorien, als gäbe es unter Hunden keine Individualität! Und wir erklären uns viel zu oft das Hundeverhalten, ohne die Bedeutung der verwendeten Begriffe wirklich zu kennen. Dominanz ist dafür ein Musterbeispiel.
Immer und überall werden dankbar „wertvolle Tipps“ von anderen Hundehaltern oder Hundetrainern angenommen, ohne diese zu hinterfragen. Bei dem Thema Hund scheint uns jegliche gesunde Skepsis abhanden gekommen zu sein. Gefragt oder ungefragt prasseln täglich die immer gleichen und oft völlig falschen Überzeugungen auf uns ein, einer Gehirnwäsche gleich.
Der Beruf Hundetrainer, für den keine Ausbildung vorgeschrieben ist, erfreut sich größter Beliebtheit. Ist ja auch kein schwerer Job, das Wissen dazu hat man spätestens nach 3x Gassi gehen erlangt, sofern man mit anderen Menschen Kontakt gehabt hat.
Dieser Boom an „Hundekennern“ hat nicht nur das Leben der Hunde dramatisch verschlechtert sondern auch die Halter so gravierend verunsichert, dass kaum noch jemand in der Lage ist, seinen Hund zu verstehen oder sich verständlich zu machen. Hunde sind unseren Launen und unserem Wohlwollen machtlos ausgeliefert. Hunde sind keine Sklaven, denen wir gewaltsam jedes Recht auf Mitbestimmung austreiben müssen, nur weil irgendjemand mit einem Hundelogo auf dem T-shirt das anordnet! Hunde haben ein Recht auf einen liebevollen und verantwortungsvollen Umgang und wir alle hatten nichts anderes im Sinn, als wir uns für einen Hund entschieden haben.
Wenn Sie sich dessen bewusst werden, wenn Sie anfangen den Hund in seinem Verhalten zu verstehen, werden sich nicht nur einige Probleme in Luft auflösen, sie werden auch wieder in der Lage sein, Ihren Hund besser zu verstehen und einen Weg finden, mit ihm zu kommunizieren.
Hunde sind weder wie Lassie, noch denken sie wie Menschen. Auch die viel zitierte Rudelhierarchie finden wir nur innerartlich, d.h. nur unter Hunden selbst (ein Rudel setzt sich ausnahmslos aus Elterntieren und Nachwuchs zusammen).Wir müssen begreifen, dass häufig Angst und Unsicherheit Auslöser für Aggressionen sind, denn Hunde sind nicht immer mutig! Die Evolution hatte noch nicht ausreichend Zeit, sie auf das Leben in unserer modernen Gesellschaft mit all den zahllosen Umweltreizen und der Enge vorzubereiten. Angststörungen oder angstbedingte Verhaltensprobleme sind daher einer der größten Problemkomplexe, mit denen der Hundehalter zu kämpfen hat.
Erst wenn wir bereit sind alte Denkmuster abzulegen und die Andersartigkeit unserer Vierbeiner zu akzeptieren, können wir mit unseren Hunden fair umgehen. Beginnen Sie, Hundeverhalten aus der Sicht eines Hundes zu betrachten und Sie werden verstehen, warum vieles, das wie Ungehorsam aussieht, einfach ein großes Missverständnis ist.
Vertrauen ist eine Grundvoraussetzung für jedes Training. Dieses ist allerdings oft durch zahllose Missverständnisse, Strenge und Gewalt, gestört. Daher ist Bindungsaufbau ein wesentlicher Teil meiner Arbeit. Voraussetzung für den Erfolg einer Therapie ist Geduld und die konsequente Umsetzung der Lerninhalte.
Geben Sie Ihrem Hund eine faire Chance!
Wer die Körpersprache der Hunde versteht, erkennt auch ihre beständige Demut und Unterwürfigkeit. Unterordnungstraining ist daher nicht nur völlig überflüssig sondern auch gänzlich unangebracht. Diese sinnlosen Machtdemonstrationen durch uns haben die Beziehung zwischen Mensch und Hund massiv beschädigt. Die Hunde fühlen sich weder verstanden noch fühlen sie sich in unserer Gegenwart noch sicher. Fast jeder Versuch zur Kommunikation scheitert. Diese ständigen Missverständnisse führen dazu, dass sich der Hund in sich zurück zieht, zunehmend misstrauischer und unsicherer wird und am Ende völlig vereinsamt. Es bedarf einer dringenden und grundlegenden Korrektur des Bildes, das uns über unsere Hunde eingetrichtert wurde. Liebe ist immer mit dem Wunsch verbunden, einander verstehen zu wollen, doch davon scheint nichts mehr übrig zu sein. Den Weg, den wir in den letzten 20 Jahren eingeschlagen haben, hätte fast nicht zerstörerischer sein können. Der uneingeschränkten und ehrlichen Zuneigung unsere Hunde begegnen wir mit beständiger Machtdemonstration, falschen Erwartungen und egoistischer Ignoranz.
2. Leinenruck
Wer hat ihn noch nicht angewandt- den obligatorischen Leinenruck? Manch ein Hundehalter versucht ein (Hunde)-leben lang vergeblich mittels heftigen reißen an der Leine, den Hund in seine Schranken zu weisen. Die Spaziergänge werden für die Menschen von Mal zu Mal stressiger und manchmal sogar angstbesetzter. Und dennoch ist das ist nichts gegen das Martyrium, dass die Hunde so erleiden müssen.
Vorweg die gesundheitlichen Folgen:
• Im Bereich der Wirbelsäule führt es zu Halswirbelschädigungen, Nervenschädigungen im Halsbereich, Spondylosen, Bandscheibenvorfall, Umformung der seitlichen Wirbelgelenke, auch noch Jahre später. Nacken- und Rückenschmerzen. Auch Kopfschmerzen und Schwindelgefühl sind häufige Folgen.
• Im Bereich der Atemwege führt es zu Verletzungen des Kehlkopfes, was Kehlkopfentzündungen, Kehlkopfblutungen, Nervenschädigungen und den Bruch der Knorpel nach sich ziehen kann. In Verbindung mit Würge- und Stachelhalsbändern kann es zusätzlich zu Verletzungen der Luftröhre kommen. Durch andauernde Atembehinderung können sich darüber hinaus Lungenödeme bilden.
•Der Druck auf den empfindlichen Hals steigert den Augeninnendruck, was die Entstehung von Glaukomen begünstigt. Ein erhöhter Augeninnendruck stellt tatsächlich einen der wichtigsten Risikofaktoren für ein Glaukom dar. Bestehende Glaukome verschlimmern sich.
Machen Sie doch einfach mal den Selbsttest: Legen Sie sich ein Halsband um und lassen Sie jemanden von hinten daran ziehen. Aber bitte vorsichtig sonst verletzen Sie sich wohlmöglich dabei. Danach sollte jedem klar sein, dass es sich beim Rucken an der Leine keinesfalls um eine legitime Bagatelle handelt.
Was bewirkt das Reißen und Rucken an der Leine in bezug auf das Verhalten des Hundes?
Zerren, Reißen oder Rucken an der Leine erhöht immer den Stresspegel Ihres Hundes. Sie erreichen also genau das Gegenteil von dem, was sie ursprünglich wollten. Dieser hohe Stresspegel macht es dem Hund UNMÖGLICH adäquat zu reagieren oder gar zur Ruhe zu kommen. Angst und Aggression (untrennbar miteinander verbunden) nehmen zu. Gegenüber diesem Reiz und möglicherweise auch gegenüber anderen Reizen oder gar gegenüber dem Hundehalter.
Aber nicht nur der Stresspegel steigt mit jedem Leinenreißen kontinuierlich an, sondern auch die Angst vor der nächstens Schmerzeinwirkung durch die Leine. Was zur Folge hat, dass der Hund sich wahrscheinlich immer früher wild gebärden wird. Dazu kommt, dass sich die Heftigkeit auf beiden Seiten immer höher schaukelt, ohne dass es irgendeiner noch in den Griff hätte. Ihr Hund wird immer schneller und immer heftiger reagieren, ohne dass er es noch irgendwie steuern könnte.
In diesem Zusammenhang ist es mir ganz wichtig, dass Sie verstehen, dass sich Ihr Hund NICHT ENTSCHEIDET aus der Haut zu fahren, sondern, dass er die Situation so stressvoll erlebt, dass er gar nicht mehr anders reagieren KANN!
Ein Teufelskreislauf, der seinen Anfang nahm, als wir reagierten, bevor wir überhaupt das Verhalten unseres Hundes verstanden hatten. Ein Teufelskreislauf, der so typisch für uns Menschen ist, weil wir bei der Erziehung unserer Hunde fast immer nur an Strafreize denken. Nach dem Prinzip: Der Hund muss mich nur mehr fürchten, als alles andere, dann zeigt er auch nichts mehr, was ich nicht sehen will.
<<Ohne, dass es jemals jemand wollte, sind auf diese Art und Weise unzähligen Hunde gestresst, verängstigt und verletzt worden.>>
Zusammenfassend kann man sagen, dass sich Leinenrucke o.ä. immer NACHTEILIG
• auf die Gesundheit• auf die Partnerschaft und das Vertrauensverhältnis
• und auf das eigentliche Lern- oder Trainingsziel auswirken.
Darum merken Sie sich bitte:
Bevor wir auf einen Hund einwirken, sollten wir immer verstanden haben WARUM er sich so verhält.
Anmerkung:
Wenn Ihr Hund z.B. immer wild wird, wenn Sie anderen Hunden begegnen, ist die Ursache häufig Angst. Angst zum einen, weil die Annäherung viel zu schnell geht und nicht ausreichend Zeit ist, mit dem anderen Hund zu kommunizieren (Beschwichtigungssignale). Und Angst zum anderen, weil Ihr Hund bereits gelernt hat, dass sein Halter gleich aus der Haut fährt (Dominoeffekt).Hierzu finden Sie weitere Texte unter dieser Rubrik.
Fall A: Sie gehen mit Ihrem Freund durch die nächtlichen Straßen einer Großstadt. Zwei angetrunkene Randalierer kommen Ihnen entgegen. Ihr Freund sieht, dass Sie Angst haben, aber ignoriert Sie und Ihre Furcht strikt.
Hat Sie das in Ihrem Vertrauen zu Ihrem Freund gestärkt? Werden Sie sich zukünftig bei ähnlichen Begebenheiten an der Seite Ihres Freundes sicherer fühlen?
Das gleiche Beispiel, nur ignoriert Ihr Freund Ihre Angst diesmal nicht, sondern faucht Sie an „jetzt reiß dich bloß zusammen“ und rammt Ihnen gleichzeitig den Ellenbogen in die Seite.
Was meinen Sie, mindert es Ihre Angst?
(Tatsächlich ist das unsere häufigste Reaktion, auf angstaggressives Verhalten unserer Hunde!)
Und bleiben wir noch einmal bei den herannahenden Männern. Ihr Freund bleibt ganz ruhig, legt Ihnen den Arm um die Schulter und flüstert „siehst du da das Taxi, da steigen wir jetzt ein“ und führt Sie sicher aus der Situation heraus…
Wenn Sie lernen, dass Sie sich immer in solchen Situationen auf ihn verlassen können, werden Sie Ihre Ängste vielleicht nach und nach an seiner Seite verlieren.
Fazit: Angst kann nicht durch ein angenehmes Gefühl verstärkt oder bestätigt werden, das ist neurobiologisch unmöglich. Allerdings können unangenehme Gefühle wie Angst verstärkt werden, in dem der Stresspegel erhöht wird (z.B. mit Leinenruck, lautes Reden oder schimpfen, Distanzverringerung). Eine ruhige freundliche Bezugsperson kann Überlegenheit ausstrahlen, was dem Hund ein Gefühl von Sicherheit vermittelt, die Angst wird weniger.
Egal wie oft Sie diese oder ähnliche Weisheiten hören, eine falsche Aussage wird auch nicht durch ständige Wiederholungen wahr. Bleiben Sie immer kritisch, wenn Sie wieder einmal einen „guten“ Rat erhalten.
Vor allem aber bleiben Sie immer liebevoll und fair zu Ihrem Hund.
3. Bitte ignorieren Sie NICHT die Angst Ihres Hundes!
Die Aussage „die Angst der Hunde muss man ignorieren sonst bestätigt man diese“ ist, wie viele andere Standardaussagen auch, weder zielführend noch fair. Im Gegenteil, wenn Ihr Hund lernt, dass Sie seine Angst ignorieren, wird seine Angst im allerbesten Fall konstant bleiben, viel wahrscheinlicher aber ist es, dass sich seine Furcht verstärkt. Häufig werden Hunde, die immer wieder mit angstauslösenden Situationen konfrontiert werden, die sie weder beeinflussen können noch zu denen sie einen für sie sicheren Abstand herstellen können, aggressiv oder neurotisch.
Ob etwas als gefährlich empfunden wird, ist für den Hund nicht bewusst kontrollierbar. Wird im Gehirn ein Reiz als gefährlich eingestuft, erfolgt darauf unmittelbar eine körperliche Reaktion. Diese Reaktion kann Flucht oder Angriff sein, mehr Möglichkeiten kennt ein Hund nicht. Angst ist also lebensnotwendig, ohne sie könnte kein Lebewesen existieren; erst die Angst veranlasst die rettenden Reaktionen.
Und noch ein wichtiger Aspekt spricht dafür, dass Sie unbedingt auf die Angst Ihres Hundes angemessen reagieren sollten: Wenn Ihr Hund gelernt hat, dass er in angsteinflößenden Situationen von Ihnen keine Hilfe bzw. keinen Schutz erwarten kann, wird er diese Sicherheit auch nicht im Freilauf bei Ihnen suchen. D.h. wenn sich Ihr Hund unangeleint plötzlich vor etwas fürchtet, wird er wahrscheinlich weglaufen statt zu Ihnen zu kommen.
Hat Ihr Hund aber gelernt, dass Sie die Situation ruhig und kompetent meistern, wird er sich mehr und mehr an Ihnen orientieren, sich entspannen und -wann immer er sich unsicher fühlt –wahrscheinlich Ihre Nähe aufsuchen.
Jeder kennt das überaus unangenehme Gefühl der Angst und jeder weiß, was er selbst in angstauslösenden Situationen braucht, um sich sicherer bzw. wohler zu fühlen. Intuitiv wissen wir auch genau, was Andere brauchen, damit sich diese wieder sicher fühlen. Wie kommen wir also auf die Idee, dass wir die Angst bei Hunden ignorieren müssen? Weder für Pferde noch für Katzen oder andere Haustiere wurde jemals eine derart unsinnige Aussage getroffen! Wie können wir glauben, der Hund überwindet -als einziges Lebewesen- seine Angst, indem wir so tun, als wenn nichts wäre?
Wie reagieren wir richtig auf die Angst unseres Hundes?
1. Ruhig bleiben
Ruhe strahlt Überlegenheit aus, die dem Hund ein Gefühl von Sicherheit geben kann. Reden sie leise und ruhig mit Ihrem Hund und stellen Sie sich zwischen ihn und das was er fürchtet.
2. Distanzvergrößerung
Führen Sie Ihren Hund ruhig aber konsequent aus der Situation heraus. Sollte er bereits mit aller Kraft nach vorne ziehen, holen Sie ihn durch Rückwärtsgehen aus der Situation heraus. Solange der Hund deutliches Stressverhalten zeigt und somit die Distanz von dem was er fürchtet als zu gering empfindet, ist er nicht ansprechbar. Schaffen Sie also erst den Sicherheitsabstand, den das Tier braucht, um sich wieder zu entspannen und wenden Sie sich dann ruhig und liebevoll Ihrem Hund zu. Auch streicheln kann Ihren Hund beruhigen.
Finden Sie heraus was für ihn das Beste ist und Ihr Hund lernt, dass er Ihnen vertrauen kann. Wenn Sie stets entsprechend reagieren, hat Ihr Hund die Chance, künftige Konfrontationen besser zu meistern.Zur Verdeutlichung ein Beispiel aus menschlicher Sicht:
4. Ein Hund aus dem Tierheim? Gerne!
Ich habe in den Jahren meiner Hundeverhaltenstherapie keinen Zusammenhang zwischen Tierheimhunden und Aggressionsverhalten oder Verhaltensauffälligkeiten feststellen können. Einen Hund von einem Züchter oder einer Privatperson zu übernehmen ist in keinster Weise ein Garant für einen sozialverträglichen und gut sozialisierten Hund. Auch die Entscheidung für einen Welpen garantiert keinen „unproblematischen Hund“. In den empfindlichen Lebensphasen sind die jungen Hunde häufig noch nicht vermittelt. Darüber hinaus ist den Zuchtbetrieben der Arbeitsaufwand häufig zu hoch, um die jungen Tiere an die belebte und unbelebte Umgebung mit all den damit verbundenen Reizen optisch, akustisch etc. zu gewöhnen. Davon abgesehen, fehlt auch häufig das Gespür für die Tiere. Ohne dieses ist eine Sozialisierung allerdings unmöglich.
Generell kann man sagen: Ob ein Hund aus dem Tierheim, oder ein Hund aus einer Zucht, jeder für sich hat seine Geschichte, ist individuell geprägt, hat seinen Charakter und seine genetische Disposition.
Tatsächlich spricht einiges für die armen Seelen, die in den Heimen auf eine Chance warten. Sie sind in der Regel stubenrein, beherrschen häufig die Grundkommandos und nicht zuletzt kennen die Pfleger ihre Schützlinge oft recht gut. Darüber hinaus sind sie in fast allen Fällen bestens medizinisch versorgt, geimpft und kastriert.
Eine Entscheidung für ein Tier ist eine Entscheidung, die das Leben für viele Jahre einschneidend verändern wird. So eine Überlegung sollten wir in unserem Sinne, aber auch im Sinne des Tieres wohl abwägen. Bitte überlegen Sie sich vorher, was die Haltung eines Hundes bedeutet, wie ein Hund den Tagesablauf verändert und welche Bedürfnisse er hat. Wenn Sie bereit sind, diese wundervolle Beziehung zu einem Hund einzugehen, wird es Ihr Leben sicher eindrucksvoll bereichern.
Gerne beantworte ich Ihnen weitere Fragen zum Thema Tierheimhund und ebenso gerne begleite ich Sie in ein Tierheim.
5. Mopsfidel oder Pflegefall
Wenn man sich heute unsere Hunde ansieht, ist es fast unvorstellbar, dass sie alle vom Wolf abstammen. Durch gezielte Zuchtauswahl, Inzucht und Experimentierwahn sind zum Teil Kreaturen „entstanden“ die in der Natur kaum eine Überlebenschance hätten; Krüppel von Menschenhand erschaffen, was keine zynische Beschreibung sein soll. Das augenscheinlichste Merkmal ist die Körpergröße, eine Vielzahl unserer Hunde ist deutlich größer oder kleiner als der Wolf, was zu gravierenden gesundheitlichen Einschränkungen führt. Bei kleinen Hunden sind die Organe im Verhältnis zum Körper zu groß, bei großen Rassen sind die Organe gemessen am Körper zu klein, was sich nicht nur immens auf die Lebensqualität sondern auch auf die Lebenserwartung auswirken kann (und in den meisten Fällen auch tut). „Dieses Missverhältnis zwischen Gesamtkörpermasse und Bewegungsapparat bedingt beim Zwerghund ein erhöhtes Risiko für Knochenbrüche, Kniescheibenluxationen, Geburtsprobleme, höhere Welpensterblichkeit, Luftröhrenkollaps sowie die Ausbildung eines Wasserkopfes. Bei Riesenwuchs kommen bösartige Knochentumoren, Gelenkprobleme, Verdauungsstörungen und auch rückenmarksbedingte Schmerzen und Lähmungen deutlich häufiger vor als bei normalwüchsigen Hunden.
Kurzbeinigkeit führt zu erhöhter Anfälligkeit für Bandscheibenleiden („Dackellähme“), die mit Schmerzen und Lähmungen sowie Funktionsausfällen von Organen verbunden sein können.“ (Dr. C. Brause)
Kurzköpfige Hunde werden als brachyzephal bezeichnet, sie leiden unter sogenannter Brachyzephalie. Durch Zuchtauslese ist der Kopf immer mehr verkürzt, insbesondere die Nase. Die ausgeprägte Verformung der Nase hat zur Folge, dass die Nasenhöhle extrem verkleinert und die fehlgestalteten Nasenmuscheln in die Atemwege hineinwachsen und diese verstopfen.
Charakteristisch sind verengte Nasenlöcher und Nasenhöhlen, ein verlängertes Gaumensegel, Veränderungen am Kehlkopf und eine zu lange Zunge. Diese Eigenschaften können in Kombination oder einzeln auftreten. Das hat zur Folge, dass die Tiere unter Atemnot leiden, die so hochgradig sein kann, dass sie zum Kollaps und zu fatalen Erstickungsanfällen führt. Kleinste Anstrengungen und steigende Außentemperaturen verschlimmern die geschilderten Symptome.
Wichtig ist auch, dass diese Form der Atemprobleme ein Leben lang bestehen bleiben. Besonders die Folgen eines zu engen Atmungsganges in der Nase, und der damit verbundene zu hohe Atemwiderstand, führen über Jahre hinweg zu einer Traumatisierung des Gewebes im Rachen- und Kehlkopfbereich. Das Gewebe verdickt sich und engt die Atemwege immer weiter ein – wodurch die Beschwerden zunehmen. Mit der Zeit verändert sich der Kehlkopfknorpel so stark, dass man von einem Kehlkopfkollaps spricht. Diesen Hunden kann dann praktisch nicht mehr geholfen werden.
Weitere Folgen sind: Schluckbeschwerden, Gebissfehlstellungen, andauernder Würgereiz, Probleme bei der Geburt und hervorgetretene Augäpfel, die zu einem erhöhten Verletzungsrisiko der Augen führen. Operationen können diese Leiden vermindern oder gar beheben. Brachyzephale Rassen sind u.a.:
Französische Bulldoggen, Möpse, Englische und Amerikanische Bulldoggen, Boston Terrier, Boxer, Cavalier King Charles Spaniels, Pekinesen, Lhasa Apsos, Pinscher.
Weitere Qualzuchtmerkmale sind:
Einwärts gerollte Augenlider (Entropium) haben das schmerzhafte Reiben der Haare auf den Augen zur Folge, was wiederum zu chronischen Entzündungen führt. Die Augen ziehen sich in die Augenhöhle zurück (z.B. Pudel). Dagegen führen auswärtsgedrehte Augen oder rautenförmige Auge (Ektropium) zu Austrocknung der Augen, mit der Folge von Lidkrämpfen (Schutzreflex), z.B. Cockerspaniel.
Das sogenannte Merle-Gen ist ein weiteres Defekt-Gen. Es erzeugt unregelmäßige weiße Flecken durch Pigmentaufhellung. Neben der Fellfärbung hat es Auswirkungen auf das Gehirn, die Augen, die Fortpflanzung und das Gehör (Taubheit). Welpen mit dem Merle-Gen sind oft in ihrer Entwicklung zurück und sterben nicht selten vor der Geschlechtsreife. Dieses Farbgen ist weit verbreitet u. a. sind Deutschen Doggen, Collies, Shelties Corgies, Border-Collies, Bobtails, Australian Shepherds betroffen.
Ein weiteres Defektgen sorgt für Haarlosigkeit, wie wir sie bei Nackthunden kennen. Opfer dieses Züchterwahns leiden unter Sonnenbränden und Störungen der Temperaturregelung im Allgemeinen. Welpensterblichkeit und Zahnlosigkeit sind weitere Auswüchse dieser Designerhunde.
Dieser schier beispiellose Experimentierwahn hat in den letzten 150 Jahren immer drastischere Formen angenommen und ist auf rein äußere Merkmale ausgerichtet. Die angeführten Beispiele sind auch keineswegs die einzigen fatalen Folgen der Rassezucht. Die Liste der gesundheitlichen Probleme ist leider viel länger.
Durch gezielte Selektion von Defekten und Inzucht sind die Grenzen des biologisch Machbaren schon lange erreicht. Unter den erblich bedingten Beeinträchtigungen müssen unzählige Hunde, die den Tatbestand der Qualzucht erfüllen, ein Leben lang leiden. Derzeit geht man von davon aus, dass von den ca 5 Millionen Hunden in Deutschland ca 3,5 Millionen Opfer dieser Qualzuchten sind, Tendenz steigend. Eine ernüchternde Zahl, wo doch die gesundheitlichen Auswirkungen kaum jemandem entgangen sein dürften, der hingesehen hat. Bleibt nur die Hoffnung, dass die Aufklärung und das Interesse daran sich ebenso entwickeln. Denn so traurig es ist, Hunde gelten als Ware und wie wir alle wissen: die Nachfrage bestimmt das Angebot.
6. Liebe und Verzweiflung
Sie hatte ihren Hund geliebt, mehr als alles andere, aber da war auch ganz viel Verzweiflung, und viele unerfüllte Erwartungen, die sie mit ihrem Hund verbunden hatte. Sie hatte ihren Hund wirklich geliebt, mehr als alles andere, aber da war auch ganz viel Enttäuschung und Unverständnis. Sie war sich ganz sicher, sie hatte ihren Hund geliebt, so sehr sie nur lieben konnte, doch es gab kaum ein Verstehen, so sehr sich das Tier darum auch bemüht hatte. Sie denkt noch heute so oft an ihren Hund, für den sie noch heute so unendlich viel Liebe spürt, und sie denkt daran, wie oft sie ihm weh getan hatte. Zum Teil aus Verzweiflung und Hilflosigkeit, aber vor allem aus Dummheit. Aber das hat sie erst heute begriffen. Und für Dummheit gibt es keine Entschuldigung, diese Schuld wird immer bleiben, das ist unabänderlich. Und heute, viel zu spät, fängt sie an darüber nachzudenken, was Liebe wirklich ist…
Oft frage ich, „liebst Du Deinen Hund?“ und das, obwohl ich weiß, dass die Antwort mir doch niemals wirklich Aufschluss darüber geben wird, was ich eigentlich wissen möchte. Und obwohl es im Grunde immer nur um Liebe geht, obwohl sich alles, wirklich alles, immer nur um die Liebe dreht, ist sie nichts anderes als ein Wort. Ein Wort, das beliebig ausgelegt wird und selten Bestand hat. Liebe ist das am häufigsten verwendete Wort und gleichzeitig wohl auch das bedeutungsloseste.
Und trotz all dieser philosophisch anmutenden Betrachtungen, glaube ich fest daran, dass Liebe die Grundlage jeder Beziehung sein sollte. Mehr noch, ich bin überzeugt, dass Liebe die VORAUSSETZUNG für ein glückliches Zusammensein ist. Und ich brauche auch nicht viele Worte, um zu sagen, was ich unter Liebe verstehe: Liebe ist das ehrliche Bemühen, dem Anderen so gut zu tun, wie es irgendwie geht.
Es scheint jedoch, dass unter den meisten Liebenden etwas ganz anderes vorherrscht, nämlich das Bestreben, dass der oder die Andere einem selbst so gut tut, wie es irgend geht. Liebe ist Erwartung, Liebe bezieht sich mehr auf uns selbst, als auf den Anderen. Darum ist die Liebe auch viel öfter Enttäuschung als Erfüllung.
In unserer Beziehung zu unseren Hunden ist es ähnlich. Die Liebe zu einem Hund ist trauriger Weise nichts anderes, als eine Erwartungshaltung, die wir gegenüber dem Hund haben. Wir machen uns kaum darüber Gedanken, dass das Tier unserem Wohlwollen in jeder Hinsicht ausgeliefert ist. Uns ist in der Regel nicht einmal bewusst, dass alle Entscheidungen, die wir treffen, lediglich ausgerichtet sind, eigene Vorteile zu verschaffen, eigene Bedürfnisse zu erfüllen. Wir machen uns nicht mal ein Bild von der Andersartigkeit und den Bedürfnissen unseres Tieres. Einen Hund zu lieben heißt statt dessen, alles so einzurichten, dass der Hund UNS so gut tut, wie es irgend geht.
Aber alles wird einmal Vergangenheit sein, Fehler, die wir aus mangelnder Liebe, mangelndem Verständnis oder Fürsorge begangen haben, können nicht mehr ungeschehen gemacht werden, so sehr wir uns auch bemühen. Und wenn der geliebte Hund nicht mehr an unserer Seite ist, wird uns nicht nur der Schmerz des Vermissens begleiten, sondern auch der unerträgliche Schmerz der Schuld.
Wir Menschen neigen dazu, erst zu verstehen, wenn es zu spät ist. Die Einsicht kommt meistens erst, wenn uns jede Möglichkeit genommen ist, die Fehler zu vermeiden oder zu korrigieren. Und die Folgen unseres Versagens im Zusammensein mit unseren Hunden, müssen fast ausschließlich unsere Tiere aushalten.
Nur über das Verstehen ist es überhaupt möglich, weitere Fehlentscheidungen abzuwenden. Und wenn wir dann noch bereit sind, dem Anderen so gut zu tun, wie es irgend geht, werden auch wir erfahren, wie erfüllend eine Beziehung zu einem Hund -oder jedem anderen Lebewesen- sein kann.
7. Wie Hunde lernen
Bevor wir unseren Hund trainieren, müssen wir verstehen wie Hunde lernen. Hunde lernen durch Assoziation bzw. Verknüpfung. Beispiel: hat der Hund gelernt, dass es sich lohnt auf Kommando heranzukommen, z.B. weil er mit Futter belohnt wird, wird es ihn motivieren, es dauerhaft zu zeigen. Hat er gelernt, dass Herankommen auf Zuruf bedeutet, dass er sofort angeleint wird, wird er es seltener oder gar nicht mehr zeigen. Das Prinzip klingt erst einmal einfach, allerdings müssen noch ein paar andere Aspekte beachtet werden, damit es wirklich funktioniert.
--> Der Hund muss das Kommando verstehen/erlernt haben. Wir gehen häufig davon aus, dass Hunde mit einem gewissen Sprachverständnis geboren werden und Kommandos wie „nein, pfui, aus, komm“ etc verstehen.(Anmerkung: Worte wie Pfui oder Nein werden häufig "geschnauzt", einzig dadurch lernt der Hund, dass er bei diesen Worten, besser innehalten sollte, da er sonst möglicherweise schlimmeres zu befürchten muss.) Da die Hunde die Bedeutung in der Regel aber nicht verstehen, interpretieren wir die fehlende Reaktion als Ungehorsam. Eines der häufigsten Missverständnisse! Denken Sie daran: Unsere Einflussnahme und unsere Kommunikation mit dem Hund muss für den Hund verständlich sein!
Wenn wir den Hund auf ein Kommando konditionieren wollen, sind zwei Fakten grundlegend: Eine hohe Wiederholungsrate und die Belohnung. Die Wiederholungsrate sollten ein paar Hundert sein! In den meisten Fällen trainieren wir mit viel zu wenigen Wiederholungen, was dazu führt, dass der Hund –jedes Mal wenn er das Kommando hört- abwägt, ob er es ausführt oder nicht. Beispiel: Ihr Hund buddelt gerade ein Loch und Sie wollen ihn heran rufen. Der Hund wägt nun ab, ob er zu Ihnen läuft oder weiter gräbt. Er wird sich für das entscheiden, was ihm in dem Moment lohnender erscheint. Wenn Sie jedoch die Wiederholungen entsprechend erhöhen, wird die erwünschte Reaktion des Hundes mehr und mehr Gewohnheit oder sogar reflexartig gezeigt. Nutzen Sie das! Überlegen Sie sich darüber hinaus auch gut, welche Belohnung Sie einsetzen wollen. Manche Hunde motiviert man mit gemeinsamen Spiel oder dem Lieblingsspielzeug, die meisten Hunde allerdings lassen sich mit Futter am besten motivieren. Bedenken Sie dabei aber auch, dass etwas, das jederzeit verfügbar ist, wenig reizvoll ist! Wichtig bei der Konditionierung ist auch das Timing. Die Belohnung sollte innerhalb von 1-2 Sekunden erfolgen, danach ist eine Verknüpfung für den Hund schwerer oder gar nicht mehr herstellbar.
--> Maßgeblich für ein effektives Lernen ist die Lernatmosphäre. Der Hund sollte sich in der Umgebung (Haus, Garten…) wohl und sicher fühlen und sich ohne Ablenkungen von außen auf Sie konzentrieren können. Eine gute Lernatmosphäre setzt auch ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Hund und Mensch voraus. Ein Hund, der gelernt hat, dass sein Mensch schnell laut oder grob wird, kann sich nur schlecht konzentrieren, da er seine Aufmerksamkeit mehr der Flucht oder dem Ausweichen und der Abwägung des Gefahrenpotenzials widmet. Wie gut können Sie sich konzentrieren, wenn Sie wissen, dass Ihr Lehrer sich schnell aufregt oder Sie gar körperlich züchtigt, wenn Sie versagen? Wenn Sie Ihrem Hund als ein freundlicher und geduldiger Lehrer gegenübertreten und das Training entsprechend freudvoll und belohnend ausführen, wird Ihr Hund schnell und sicher lernen, was Sie ihm beibringen wollen. (Achten Sie dabei auch auf Ihre Körperhaltung und Ihre Stimmlage)
Das Training sollte täglich in kleinen Lernschritten erfolgen, die dem Hund Spaß machen und ihn nicht überfordern. Schauen Sie genau hin, dann sehen Sie, ob Ihr Hund noch mit Freude dabei ist. Passen Sie die Lernschritte unbedingt der Lernfähigkeit Ihres Hundes an und steigern Sie die Ablenkungsreize langsam und mit Bedacht.
Es gibt keine klare Definition für Dominanz, aber wenn wir Dominanz gleichsetzen mit Überlegenheit, was es sicher am ehesten trifft, dann kommen wir der Sache schon recht nah. In der Regel halten wir die lauten, sich wild gebärdenden Hunde für dominant. Doch macht das Sinn? Ein Hund, der sich in der Begegnung mit anderen Hunden überlegen fühlt, würde dieses Verhalten niemals zeigen. Im Gegenteil, seine Bewegungen wären ruhig und sicher, wahrscheinlich würde er keinen Laut von sich geben. Allein seine Körperhaltung, sein Blick, sein Stand würde reichen, seinen Status zu verdeutlichen. In einer Gruppe von Hunden erkennt man das dominante Tier daran, das alle anderen ausweichen und bei Annäherung deutlich beschwichtigen und häufig eine geduckte oder abgewandte Körperhaltung einnehmen. Es ist also nicht der Hund, der am lautesten bellt oder sich am heftigsten bewegt, im Gegenteil! Die lauten unruhigen Hunde sind diejenigen, die schwache Nerven und/oder Angst haben, was keine Voraussetzung für eine Führungsposition ist. Ein dominanter Mensch wäre z.B. ein Anführer einer Gruppe oder ein Firmenchef. Seine Überlegenheit muss er nicht durch ständiges brüllen oder kämpfen neu beweisen, sein Status ist geklärt.
Ein weiterer Aspekt, den wir bei der Betrachtung des Rudelführers beachten sollten, ist die Tatsache, dass die Rangführung oftmals auch eine recht unbequeme Position ist, die starke Nerven und Durchhaltevermögen voraussetzen. Das erklärt, warum viele Hunde überhaupt gar nicht erst nach Status streben.
Für ein entspanntes, faires und freundliches Mensch-Hund-Verständnis ist die richtige Einschätzung unseres Tieres bzgl. seines Charakters und seiner Individualität wesentlich.
8. Der dominante Hund und die Rudelführung
Die Welt scheint voll zu sein mit Hunden die dominant sind. Wie konnte dieses völlig falsche Bild entstehen, wo Wölfe und Hunde wahrscheinlich die am besten erforschten Tiere sind?
Die weitläufigen Vorstellungen von blutigen Kämpfen, um die Rudelführung oder um das Futter, haben mit der Realität nichts zu tun. Tatsächlich bilden i.d.R. nur die Elterntiere und der Nachwuchs der letzten zwei bis drei Jahre ein Rudel, also ein Familienverbund. Somit ist klar, dass es auch keine Rangordnungskämpfe gibt, die Führung übernehmen schlicht die Elterntiere. Das Futter wird geteilt und in Zeiten wo es knapp ist, wird zuerst der Nachwuchs versorgt.
Anders sieht es unter Wölfen aus, die willkürlich von Menschen zusammengefügt werden und in begrenzten eingezäunten Gehegen8 leben. Hier sind Spannungen vorprogrammiert. Und genau hier wird deutlich, wie hoch sozial diese Tiere sind. Obwohl diese Art des Zusammenlebens ganz und gar ihrer natürlichen Lebensweise widerspricht, sind sie in der Lage, gut miteinander auszukommen, indem sich eine feste Rangordnung bildet.
Doch bevor Sie sich nun möglicherweise in Ihrer Überzeugung bestätigt sehen, dass Sie nur die Rudelführung übernehmen müssen, damit alles funktioniert: Es gibt keine Spezies auf diesem Planeten, die mit einer anderen ein Rudel bildet!
Unsere Hunde wissen das auch ;-)
Zurück zu unseren Hunden. Um den Mythos vom dominanten Hund auf den Punkt zu bringen: Es gibt ihn nicht. Vielmehr ist jede Hundebegegnung anders; mal ist unser Hund der Überlegene, mal der Unterlegene, je nach dem wer vor ihm steht. Es gibt folglich keinen Hund, der generell dominant ist.
9. Bleiben Sie doch einfach mal stehen…
Haben Sie schon mal gesehen, wie sich zwei gut sozialisierte Hunde einander annähern, die sich nicht kennen oder noch nicht erkannt haben? Sie nähern sich langsam, einen Bogen laufend. Hunde nehmen sich Zeit um einzuschätzen, abzuwägen. Sie nehmen sich Zeit um (Beschwichtigungs-) Signale auszusenden, um Eskalationen zu vermeiden. Hunde zeigen vorbildlich, wie Begegnungen gemeistert werden können – bis der Mensch eingreift. Ganz entgegen dieser hundlichen Annäherung gehen wir frontal und mit unverminderter Geschwindigkeit auf alles und jeden zu. Der angeleinte Hund hat keine Chance, die Situation zu betrachten, um sie einschätzen zu können und um entscheiden zu können, wie und in welcher Geschwindigkeit sich genähert wird. Stress baut sich auf, typisches Hundeverhalten kann nicht mehr gezeigt werden, die Situation eskaliert. Mit jedem Spaziergang wächst der Stress, da die ständigen Wiederholungen solcher Begegnungen urtypische Verhaltensweisen verlernen lässt. Damit nicht genug: Mit scheinbar unbeirrbarer Überzeugung reißen und rucken wir an der Leine, schreien den Hund an und/oder tun ihm auf die Eine oder Andere Art weh, was dazu führt, dass wir unsere Hunde immer tiefer in ihre Ausweglosigkeit stürzen, mit der Folge, dass ihr Stresspegel explodiert… Und obwohl wir merken müssten, dass wir damit nichts erreichen- außer, dass der Hund mehr und mehr sein Vertrauen in uns verliert- reagieren wir immer wieder auf die gleiche Art. Das ist nicht nur traurig und unfair sonder auch grausam und absolut uneffektiv!
Und auch wenn diese Vorgehensweise in all Ihren Büchern steht, in Ihrer Hundeschule gelehrt wird oder in den Hundeshows im Fernsehen und in Anleitungsvideos auf youtube etc gezeigt wird: es ist falsch!
Stattdessen sollten Sie sich einmal anschauen, wie eine typische Begegnung unter so hochsozialen Wesen wie Hunden abläuft. Allerdings werden Sie diese Form der Konfliktlösung kaum noch bei Ihren Spaziergängen zu sehen bekommen. Die DVD “calming signals“ von Turid Rugaas zeigt anschaulich, welche Signale von den Hunden gezeigt werden und wie diese zu deuten sind; eine gute Möglichkeit etwas mehr über das Ausdrucksverhalten und das Verhaltensrepertoire der Hunde zu lernen.
Meine Empfehlung: entschleunigen Sie Ihre Spaziergänge – DER WEG IST DAS ZIEL. Wechseln Sie öfter mal die Straßenseite, achten Sie auf Distanzen, die Ihr Hund benötigt, um sich noch sicher und wohl zu fühlen. Bedenken Sie, dass viele Hunde unsicher werden, wenn sie sehr nah an Menschen vorbei geführt werden. Viele Hunde sind gestresst, wenn sie dicht an einer Straße entlang gehen müssen und zucken bei jedem Fahrzeug zusammen, ohne dass sein Mensch Notiz davon nimmt. Achten Sie darauf, dass Sie stets den Hund so führen, dass Sie zwischen ihm und dem hektischen Treiben unserer lauten Zeit sind. Bleiben Sie öfter mal stehen, schenken Sie Ihrem Hund freundliche und ruheausstrahlende Aufmerksamkeit, reden Sie leise mit ihm. Lassen Sie ihn die Welt mit all ihren Reizen immer wieder aus sicherer Entfernung betrachten, während Sie ihn liebevoll streicheln und ihm eine kleine Belohnung geben. Das wäre Freundschaft! Und das würde Ihrem Hund helfen, die Welt mit all Ihren vermeintlichen Gefahren und verunsichernden Reizen besser meistern zu können.
10. Immer wenn mein Hund ein Pferd sieht setzt er sich hin
warum macht er das? So oder so ähnlich klingen häufig Fragen, die mir gestellt werden. Meine Antwort ist dann immer die Gleiche: Ich weiß es nicht, das müsstest du deinen Hund fragen! Das Problem an derartigen Fragen ist die hohe Wiederholungsrate, was nur einen Schluss zulässt: Viele Menschen gehen offensichtlich davon aus, dass es einen sogenannten Verhaltenskatalog geben muss, in dem man dergleichen nachschlagen kann, WEIL JA ALLE HUNDE GLEICH SIND. Wo kommt das her? Jeder, der mehr als einen Hund kennt, muss zu dem Ergebnis kommen, dass Hunde individuell sind. Das Hunde - wie alle anderen Lebewesen auch - einen eigenen Charakter haben. Dass jeder Hund seine Eigenarten hat, sein ureigene Art zu kommunizieren, seine eigene Lernfähigkeit oder Lernbereitschaft und und und. Ganz zu schweigen von seinen Erfahrungen, die ihn geprägt haben und seiner genetischen Disposition.
Der fatale Irrglaube - dass alle Hunde gleich sind - erklärt auch, warum viele der Meinung sind, dass entsprechend auch alle Hunde mit ein und denselben Methoden erzogen werden müssen. Das ist so abwegig, dass ich mich immer wieder frage, woher diese Gehirnwäsche kommt? Auch wenn ich mich wiederhole: Bitte sehen Sie hin, lernen Sie IHREN Hund kennen und ignorieren Sie jede Verallgemeinerung! Es gibt nicht den Hund, es gibt nicht einmal den Schäferhund oder den Pudel etc. Ihr Hund ist einmalig und außergewöhnlich. Wenn Sie Ihren Hund erfolgreich trainieren wollen, müssen Sie sein Wesen kennen und seine Individualität berücksichtigen.
11. Auf den Arm genommen...
Schon als ich ihren Erzählungen in der Küche aufmerksam zuhörte, spürte ich, dass die Verbindung zwischen ihr und ihrem Hund Oskar etwas besonderes war. Wenngleich das erste Zusammentreffen zwischen den Beiden noch nicht lange her war, vermittelten die Zwei das Gefühl, als wenn es niemals anders gewesen wäre. Und obwohl Oskar ein Leben auf der Straße gewohnt war, bevor er auf C. traf, ein Leben also ohne Leine, ohne Komandos, ohne starre Regeln und mit einem gewissen Grad an Freiheit, hatte er sich offenbar von der ersten Minute ihrer Begegnung gerne auf sein neues Leben eingelassen. Ohne zu wissen, wie es sein würde.
C. berichtete mir von den ungewöhnlichen Umständen, die dazu geführt hatten, dass Oskar in ihr Leben trat, und es machte einfach nur Spaß ihr zuzuhören. Ich war geradezu begeistert, als ich sah, dass Oskar im Park sein geliebtes Spiel mit Artgenossen aufgab, sobald er gerufen wurde. Und nichts forderte er dafür ein, keine Belohnung war dafür nötig. Er kam, weil zwischen ihnen diese besondere Verbundenheit herrscht!
Und wissen Sie, wie diese aussergewöhnliche Beziehung begonnen hatte? C. hatte Oskar, nachdem der zwei Tage Fahrt in einer kleinen Transportbox hinter sich hatte, ganz intuitiv und unmittelbar auf den Arm und unter ihre Jacke genommen. Diese zärtliche Geste und körperliche Nähe war genau das, was Oskar in dieser Situation voller Angst und Erschöpfung brauchte. C. hatte gefühlsmäßig gehandelt, liebevoll und fürsorglich. Oskar hörte binnen weniger Minuten auf zu zittern und es war der Beginn einer wundervollen Freundschaft. Es dauerte nicht lange, bis er sich vollständig von den Strapazen und den Ängsten der letzten 48 Stunden erholt hatte. Wie gut, dass C. nicht gehört oder gelesen hatte, dass man Hunde ANGEBLICH nicht auf den Arm nimmt!
Diese Geschichte soll einmal mehr zeigen, dass wir uns endlich von all diesen Standardparolen frei machen müssen. Hunde sind Lebewesen wie wir auch, mit Bedürfnissen, Sehnsüchten und Ängsten. Und eines ist unumstritten: Angst fühlt sich für alle Lebewesen gleich an, und es sind fast immer die gleichen Rituale, die notwendig sind, um dieses Gefühl aufzufangen: Körpernähe.
Mit dieser Geschichte will ich nicht sagen, dass wir immer in jeder beängstigen Situation unsere Hunde auf den Arm nehmen sollten, aber ich möchte auch deutlich machen, dass es durchaus Situationen gibt, in der diese Geste das einzig Richtige sein kann.
12. Wissen Sie eigentlich...
wie eine typische Begegnung von zwei Hunden aussieht, die sich nicht kennen? Sie nähern sich im Bogen, der je nach Gefühlslage mal größer und mal kleiner ausfällt. Es wird immer wieder innegehalten und stehengeblieben, um dem Artgenossen die jeweilige Gestimmtheit mitzuteilen, aber auch, um zu schauen, in welcher Stimmung der Andere ist. Sogenannte Beschwichtigungssignale werden ausgesendet und empfangen. In der Regel ist relativ schnell klar, wer von den Beiden sich über- und wer sich unterlegen fühlt. Interessant dabei ist, dass nicht nur der unterlegene Hund durch seine Körpersprache dem Fremdling mitteilt, dass er sich in freundlicher Absicht nähern möchte, sondern auch der überlegene (dominante) Hund sendet häufig die gleichen Informationen! Erst dann nähert man sich in der jeweiligen Geschwindigkeit, die von Hund zu Hund und von Begegnung zu Begegnung stark variiert. In welcher Geschwindigkeit sich die Hunde einander nähern können und wollen ist von verschiedenen Faktoren abhängig:- welche Erfahrungen wurden im Zusammentreffen mit Hunden in der Vergangenheit gemacht (dazu zählen nicht zuletzt auch die Erfahrungen, die die Hunde mit ihren HALTERN gemacht haben!)- wie eindeutig konnten die freundlichen Absichten des Anderen kommuniziert werden (dickes Fell, abgeschnittener Schwanz und angeschnittene Ohren etc erschweren oder verhindern die hundliche Kommunikation)- Charakter und aktueller Stimmung.
Fremdbegegnungen sind somit stark ritualisiert und im Allgemeinen unaggressiv, was nicht bedeutet, dass sie trotz all der Beschwichtigungssignale auch spannungsgeladen oder unangenehm für den Einen oder Anderen sein können. Ein typisches Beispiel, für eine unentspannte Begegnung wäre z. B., wenn einer der Beiden ein übermütiger Junghund in Tobelaune ist und der andere Hund schon aufgrund seines Alters keinen Wert mehr auf Kontakt mit derart wilden Halbwüchsigen legt, einfach weil die Knochen mittlerweile schmerzen. Natürlich gibt es –ähnlich wie bei uns Menschen- auch unglückliche Zusammenkünfte, wenn z.B. zwei Hunde auf einander treffen, die beide nach einem gewissen Status streben und keiner kleinbeigeben möchte. Diese Art der Begegnungen können einen Kampf zur Folge haben. Zum Thema Hundekämpfe werde ich später eingehen.Wichtig ist, dass wir lernen, die Körpersprache der Hunde zu entschlüsseln, um die Zusammentreffen unserer Hunde einschätzen zu können. Das Wichtigste jedoch ist, dass wir begreifen, dass WIR es allgemeinhin sind, die eine freundliche Hundebegegnung unmöglich machen! Denn wir gehen mit unserem oft sehr kurz angeleinten Hund UNGEBREMST UND FRONTAL auf den Anderen zu. Den Hunden sind somit alle Handlungsweisen genommen, um sich hundetypisch freundlich aufeinander zuzubewegen. Stress und Spannungen bauen sich auf, statt der üblichen Beschwichtigungssignale werden prophylaktisch Drohgebärden gezeigt. Und um die ohnehin angespannte Situation vollends zu sabotieren, reißen und zerren wir an der Leine, schimpfen und brüllen wir (und schlimmeres), ganz wie es die Hundeschule, der TV-Hundeflüsterer und all die anderen Hundeprofis angeleitet haben...Ganz offensichtlich ist Einschüchterung das Einzige, was uns Menschen einfällt. Wir kämen gar nicht auf die Idee, dass wir es sind, die die Fehler machen. Bevor wir in irgendeiner Weise auf den Hund einwirken, sollten wir erst einmal verstehen, WARUM der Hund so oder so handelt. Und wir sollten erkennen, in welcher Gefühlslage sich unserer Hund befindet. Erst dann sind wir in der Lage die Situation sinnvoll und zielführend in die von uns gewünschten Bahnen zu lenken.
13.
Unberechenbar
Aussagen wie „ohne erkennbaren Grund hat der Hund plötzlich zugebissen“ werden wohl von den Wenigsten angezweifelt. Tatsächlich halten die meisten Menschen Hunde für unberechenbar und latent gefährlich. Einigen Rassen haftet gar das Böse an, wie z.B. den sogenannten Kampfhunden. Und all das obwohl der Hund ein Meister in der Konfliktvermeidung ist und ein Großteil seiner Körpersprache der Beschwichtigung dient! Tatsächlich können wir Menschen diesbezüglich noch einiges von den Tieren lernen, aber das ist ein anderes Thema. Zurück also zu der Kernaussage, Hunde beißen plötzlich und ohne erkennbaren Grund zu. Bis auf sehr wenige Ausnahmen (wenn der Hund krank ist) ist diese Aussage schlicht falsch. Genau genommen ist die Äußerung „ohne erkennbaren Grund“ falsch. Richtig wäre, „ohne dass ich darauf vorbereitet war, hat der Hund plötzlich zugebissen“. Nun ist nur noch die Frage zu klären, warum war er nicht darauf vorbereitet- und darauf gibt es eine ganz einfache Antwort: Weil wir nicht hingesehen haben und/oder weil wir die Situation und die Körpersprache des Hundes nicht verstanden haben (oder generell nicht verstehen). So einfach ist das. Wir sehen nicht hin, und wenn wir hinsehen verstehen wir meistens nicht. Und wenn ein (gesunder) Hund wirklich zugebissen hat, hatte er dafür einen Grund und dieser ist fast immer Verteidigung. Zusammenleben beruht auf der Fähigkeit sich zu verständigen und wenn wir den anderen nicht verstehen, heißt das noch lange nicht, dass er unberechenbar ist!
Aber wie sieht das Zusammenleben mit uns Menschen für die Hunde aus? In Wahrheit ist es der Mensch, der für die Hunde unberechenbar und gefährlich ist, aber das ist uns kaum bewusst.Einige Beispiele:Der Hund wird angeleint auf einen anderen Hund zugeführt. Die schnelle frontale Annäherung widerspricht gänzlich der typisch hundlichen Annäherung und führt oft zu Stress und Angst. Die für den Hund einzige Reaktionsmöglichkeit auf die permanent ansteigende Unsicherheit und Angst ist Angriff (die zweite mögliche Reaktion wäre Flucht, aber die ist dem Hund an der Leine genommen). Der Halter reagiert auf das Verhalten seines Hundes oftmals sehr ungehalten und versucht diesen mit physischer oder psychischer Gewalt einzuschüchtern, schafft also eine zusätzliche Front. Kaum ein Halter versteht, wie sehr er eben das Vertrauen seines Hundes missbraucht und wie ungerecht sein Verhalten war, denn DER HUND KONNTE GAR NICHT ANDERS. Der Hund lernt: Angst macht Menschen aggressiv, was wiederum seine Angst und sein Misstrauen verstärken. Der Mensch wird als unberechenbar empfunden. (Mehr Infos dazu im Text „Wissen Sie eigentlich…“).Ein weiteres Beispiel:Die Hundehalterin kommt nach Hause und der Hund begrüßt sie freundlich an der Tür. Der Mensch erwidert die freudige Begrüßung und geht in die Küche. Auf den Küchenfliesen liegen die Reste des Abendbrotes. Die Freundlichkeit schlägt in Bruchteilen einer Sekunde in Wut um. Der Hund reagiert auf das plötzliche Donnerwetter und verkriecht sich, was von der Halterin wiederum für Reue gehalten wird. In Wirklichkeit reagiert der Hund lediglich auf die Wut. Warum der Mensch jedoch wütend ist, weiß er in der Tat fast nie. Ein typisches Beispiel für die menschliche Unberechenbarkeit. Solche und ähnliche Missverständnisse sind traurig und prägend. Für mich ist es eher verwunderlich, dass Hunde so selten beißen. Sicher ein Umstand, der in erster Linie auf die hohe soziale Kompetenz unsere Hunde zurückzuführen ist!
Aber es gibt noch mehr Beispiele für die Unberechenbarkeit von uns Menschen. Der Hund wird von seinem Halter aufgefordert zu toben. Der Hund freut sich sehr über dieses Spiel und dem Ausstieg aus der schier endlosen Langeweile. Der Halter will das Spiel schon nach zwei Minuten beenden. Der Hund, der kaum Möglichkeiten hatte, seinem Bewegungsdrang am Tag nachzukommen, versucht ihn weiter zu motivieren und springt an ihm hoch. Der Halter reagiert sofort ungehalten und versucht durch verbale Einschüchterung den Hund in seine Schranken zu weisen. Dieser plötzliche Wechsel von Spiel in Maßregelung verunsichert jeden Hund und lässt einmal mehr uns Menschen als unberechenbar da stehen. Oder bleiben wir beim Toben, der Halter zerrt mit seinem Hund gemeinsam an einem Tau, der Hund, der wie bereits erwähnt in der Regel weitaus weniger Abwechslung am Tag hatte als seine Menschen, stürzt sich hochmotiviert auf das Tau. Dabei verletzt er seinen Halter leicht am Daumen, völlig unbeabsichtigt, doch für einige Hundehalter ist das ein absolutes Tabu. Auch hier ist die nachfolgende heftige Reaktion des Menschen ein weiterer Beweis für dessen Unberechenbarkeit.
Die Liste könnte nun unendlich fortgeführt werden, aber darum geht es gar nicht. Es geht darum, dass wir versuchen zu verstehen. Und es geht darum, dass wir lernen uns zu verständigen. Der Hund kann die Sprache der Menschen nicht erlernen, aber er ist in seiner Körpersprache sehr deutlich, wir müssen nur hinsehen.
14.
Plüschgeier und anderes Spielzeug
Beginnen möchte ich mit der Kundenrezension von Nikoianer (sicher ein Synonym, der oder die Verfasser ist leider unbekannt, ich hätte sonst gerne mehr in der Art gelesen und mein Kompliment ausgesprochen). Die Kundenbewertung bezog sich auf einen Plüsch-Cord-Geier-Hundespielzeug.
Dieser Geier ist der Hammer (Kundenrezension von Nikoianer, gefunden auf Amazon)
Zunächst einmal sei erwähnt, ich habe einen Labrador, der innerhalb eines halben Durchschnittsknabbertages eigentlich Alles zerlegt bekommt. Da verwundert es nicht weiter, dass auch dieser Geier nur von mittelmässiger Resistenz ist. Allerdings ist er im Gegensatz zu anderen Dummies bzw. Plüschspielzeugen relativ renitent gegen zerpfücken.
Zuerst werden die kleinen Haare auf dem Kopf mit den Vorderzähnchen einzeln gepackt und so lange gerupft, bis der Geier eine Glatze hat. Das macht nichts, denn die Haare reissen eher selbst, als dass die Naht platzt. Danach wird etwas an den Flügeln und den Füßchen gezerrt, allerdings reissen diese nicht so schnell ab, wie sich mein Hund - "runter vom Bett" - das vorstellt. Deshalb geht sie nach einigen Fehlversuchen dazu über, dem Quietschen aus dem Geierinneren auf den Grund zu gehen und nagt fanatisch auf dessen Bauch.
Ist auch das langweilig geworden, wird versucht, die Haare vom Bauch des Geiers zu rupfen, was aber ob derer Länge nur von mäßigem Erfolg gekrönt ist.
Voll sauer, weil der Geier noch immer quietscht werden dann Schnabel und Augen bearbeitet und so lange am Hals gezerrt, bis dieser vom Körper abreisst. Der Kopf wird zunächst im Körbchen für später versteckt und begonnen, die weisse Füllung aus dem Körper zu popeln - was allerdings etwas dauert, da die Öffnung des Halses nicht besonders breit ist. Ist der Geier endlich komplett im Wohnzimmer verteilt wird Herrchen der errungene Erfolg mitgeteilt, der Hund steht schwanzwackelnd mit dem Hals im Maul morgens am Bett, und der Tag beginnt mit einem Blick in das Gesicht eines einäugigen, glatzköpfigen Geiers. Dieser Eindruck hält gerne 2-3 Tage an und ich kann nicht dafür garantieren, dass man in der folgenden Nacht problemlos einschlafen kann.
Ein Pluspunkt ist, dass sich die Geierüberreste mit Handfeger und Müllschippe in sehr kurzer Zeit beräumen lassen. Der Hals des Geiers ist ergonomisch geformt und läßt sich im Maul eines mittelgroßen Hundes prima durch die Gegend schleppen. Das absolute Highlight aber ist, wenn man nachts durch die Wohnung läuft, versucht, möglichst leise zu sein und sich dann mit einem "QUÄÄÄÄK" der Geier darüber beschwert, dass man auf ihn draufgetreten ist.Ich empfehle, die Geier gleich im Bündel zu kaufen. Bei uns ist grade Nummer 7 in Bearbeitung.
Und bitte: Es ist ein Spielzeug, und ihr Hund wird ihn entweder:
a) nicht anguckenoder
b) kaputt machen
- wie alles Andere im Prinzip auch. Wenn man die Geier mit genau diesem Hintergedanken kauft, ist es auch nicht so schlimm, finde ich. Wer dennoch nicht einfach 8,- Euro zum Fenster rauswerfen möchte, der kann die Geierköpfe sammeln und daraus ein attraktives Mobile basteln oder die Köpfe - so wie ich - mit Kabelbinder am Gartentor befestigen. Da freuen sich auch die Nachbarn. Von mir und Hund daher eine ganz klare Kaufempfehlung!!
Der oder die Verfasser beschreibt sehr eindrucksvoll die Verwendungsmöglichkeiten eines Hundes mit dem vermeintlichen Spielzeug. Ich frage Sie, was sollte der Hund auch sonst damit machen? Den Geier frisieren oder ihn in selbstgehäkelte Kleidchen pfriemeln? Oder einfach nur herzen? Es bleibt also nur völlige Desinteresse oder Zerstörung. Ein klassisches Beispiel für Geld aus dem Fenster werfen. (Stattdessen empfehle ich eine Spende an eine beliebige Tierschutzorganisation, hier fehlt es fast überall an finanziellen Mittel nur für die Grundversorgung der Schützlinge; von ärztlicher Versorgung und Verbesserung der Unterbringungsmöglichkeiten ganz zu schweigen).
Wenn Sie aber Ihrem Hund, der wahrscheinlich ähnlich wie 99% seiner Artgenossen unter viel zu viel Langeweile und Monotonie leidet, etwas wirklich sinnvolles kaufen möchten, dann besorgen Sie ihm ein sogenanntes Futterspielzeug. Spielzeug ist im Grunde nicht der richtige Begriff, weil der Hund damit nicht spielt sondern es lediglich der Beschäftigung dient. Sich mit etwas zu beschäftigen, um an Futter zu gelangen (vorausgesetzt Ihr Hund ist nicht satt) macht Sinn und wird den Hund motivieren. Kaufen Sie ihm „Spielzeuge“ wie z.B. einen Kong oder einen Futterball (diesbezüglich gibt es mittlerweile viele innovative Möglichkeiten) oder was auch immer Sie mögen, Hauptsache Ihr Hund ist beschäftigt. Aber Vorsicht: Die Spielgeräte, bei denen Ihr Hund lernen muss irgendwelche Schalter zu bedienen oder Schubladen zu öffnen, um ans Futter zu gelangen sind meist nur für eine kurze Zeit interessant. Hunde sind so viel schlauer als wir oft meinen und haben so ein „Spiel“ schnell über, schlicht weil es langweilig wird. Der „Spielspaß“ dauert dann gerade mal noch 1-2 Minuten. Zudem sind diese Varianten oft recht kostspielig. Futtersuche und Futterbeschaffung ist die Hauptbeschäftigung von freilebenden Tieren, auch die der Straßenhunde, wenngleich das ein trauriges Thema ist. Natürlich sieht die Sache schon ganz anders aus, wenn mehrere Hunde in einem Haushalt leben, oder Ihr Hund anderweitig ausreichend Zeit hat, mit Artgenossen zu toben oder sich auszupowern. In diesen Fällen ist Unterforderung meist kein Thema. Aber in der Regel sind die Hunde (die keine Einzelgänger sind!) viel zu lange alleine. Aber auch in den Zeiten, in denen wir Zuhause sind, vergessen wir nur allzu oft, wie trostlos leer das Leben eines Hundes im Haus oder der Wohnung sein kann. Wenn es dann (hoffentlich für eine große Runde) nach draußen geht, wundert sich mancher, warum der Hund so außer Rand und Band gerät.Meine Bitte daher: beschäftigen
Sie Ihren Hund, bringen Sie ihm bei, kleine Aufräumarbeiten zu erledigen, Dinge zusammenzutragen (diese können Sie gerne extra für ihn auslegen oder verstecken). Bringen Sie ihm bei Wäscheklammern anzugeben, Ihren Schlüssel zu suchen oder was auch immer. Ihr Hund wird Ihnen unglaublich dankbar sein. Ich empfehle immer, den Fressnapf ins Kellerregal zu verbannen, vielleicht kann er noch mal als Blumenuntersetzer zum Einsatz kommen. Der Futternapf ist noch unsinniger als der Plüsch-Cord-Geier am Anfang dieses Textes! Werfen Sie ersatzweise das (Trocken-)Futter mal in den Garten oder verstecken Sie es in der Wohnung, oder wickeln Sie es in eine alte Decke oder Handtuch ein. Seien Sie kreativ und holen Sie Ihren Hund aus seiner Lethargie. Weitere sinnvolle Spielzeuge sind Taue, eine tolle Möglichkeit mit Ihrem Hund gemeinsam zu spielen (sollten Sie irgendwo gehört oder gelesen haben, dass Tauzerren Ihren Hund aggressiv, dominant oder was auch immer macht- vergessen Sie es! Vergessen Sie auch den Standard, dass Sie immer gewinnen müssen! Gemeinsames Tauziehen stärkt die Bindung und Ihr Hund wird Sie noch ein wenig mehr dafür lieben.)
Auch Ball- bzw. Apportierspiele sind eine beliebte Beschäftigung, bedenken Sie aber bitte,dass die schnellen Sprints mit plötzlichem Abstoppen relativ frühzeitig zu extremen Gelenkverschleiß führen! Insbesondere die Vordergelenke und die Wirbelsäule werden dabei massiv belastet und geschädigt. Die daraus resultierenden gesundheitlichen Folgen sind meist irreversibel und sehr schmerzhaft. Arthrose setzt ohnehin schon bei vielen Hunden sehr früh ein, auch ohne sportliche Extrembelastung. Die damit einhergehenden Schmerzen können irgendwann nur noch mittels Analgetika reduziert werden. Auch Freestyle Frisbee und ähnliche Sportarten sind allenfalls dazu geeignet, Arthrose und ähnliches zu begünstigen. Von weiteren Verletzungsrisiken ganz zu schweigen.
Achten Sie gut auf Ihren Hund und bedenken Sie stets, dass sein Glück allein von Ihrem Wohlwollen abhängt. Geben Sie kein Geld für Hundespielzeug aus, das lediglich dazu taugt,den wöchentlichen Müllbeutel zu füllen. Beschäftigen Sie sich lieber mit Ihrem Hund. Bieten Sie Ihrem Vierbeiner ausreichend gesunde Bewegung an der frischen Luft, lassen Sie ihn-sofern es Ihrem Hund gut tut- so oft wie möglich an Ihrem Leben teil haben, schenken Sie Ihrem Hund Streichelzeit bzw. Aufmerksamkeit und wenn möglich (und vom Hund gewünscht) gönnen Sie ihm so oft es geht Kontakte mit Artgenossen.
15. Adoption eines Tierschutz- oder Straßenhundes?
Auf unzähligen Straßen fristen unzählige Hunde ihr trauriges Dasein. Bis auf wenige Ausnahmen ist der Alltag dieser Straßenhunde gezeichnet von Krankheit, Hunger und Angst.Verschiedene Tierschutzorganisationen und einzelne Tierschützer bemühen sich nach Kräften, diesen Seelen zur Seite zu stehen, sie zu versorgen oder sie gar unterzubringen. Wenngleich der Einsatz dieser Tierschützer nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist, so ist es doch für jedes gerettete Tier die ganze Welt!
Das Leben der Straßenhunde ist teilweise so grausam, hässlich und unerträglich, dass Worte nicht ausreichen, um es auch nur annähernd zu beschreiben.Aber ein paar wenige von ihnen haben Glück und werden aus dem „Krisengebiet“ herausgeholt und finden das erste Mal in Ihrem Leben so etwas wie ein Zuhause und einen sicheren Ort. Doch für einige Hunde endet das Martyrium nicht mit der Vermittlung, sondern bekommt nur ein anderes Gesicht. Und das nicht, weil die Menschen in ihrem neuen Zuhause böse sind, sondern weil die Menschen zum Einen das Verhalten der Hunde nicht deuten können und zum Anderen, weil sie nicht wissen, wie sie ihrem Hund helfen können. Und das Martyrium findet oftmals auch kein Ende, weil die Menschen auf die falschen Berater hören (gefragt und ungefragt wohlbemerkt!). Das alles bedingt, dass das Zusammenleben zunehmend problematischer, frustrierender und angstbesetzter wird. Viele Hunde werden immer wieder abgegeben, zurückgegeben oder schlicht weitergereicht. Und auf jeder Station dieser traurigen Reise werden sie weiter traumatisiert und lernen, dass sie Menschen nicht trauen dürfen. Wohin man sie auch bringt, sie bleiben unverstanden. Die daraus resultierenden Missverständnisse werden als Ungehorsam ausgelegt und Ungehorsam…. na Sie wissen schon, muss mit Strenge und Unterordnung begegnet werden….(was falsch ist, nur um weitere Irrtümer auszuschließen!).
Was ich keinesfalls sagen möchte ist, dass Sie davon ausgehen müssen, dass Hunde von der Straße (oder einem ausländischen/inländischen Tierheim) größere Probleme haben, als Hunde aus privaten oder kommerziellen Zuchten. Soziale Deprivation* habe ich wesentlich häufiger bei Hunden aus der kommerziellen Zucht erlebt. Auch das Sozialverhalten unter den Hunden selbst, ist bei Straßenhunden weitaus weniger ein Problem. Allerdings kann das Führen an der Leine wiederum für einen Hund, der das Angebundensein nicht kennt, am Anfang beängstigend sein.
Ich bin absolut für die Vermittlung von Straßenhunden bei gleichzeitigen Bemühungen, die Vermehrung vor Ort durch Kastrationsprogramme einzudämmen. Die Welt ist voller Hunde, genug für alle, die ihr Leben mit einem solchen teilen wollen. Mit jedem Hund der vom Züchter gekauft wird, „geht ein anderer in die Tötung“, so einfach ist das. Zum Thema Zucht gäbe es noch viel zu sagen, das Thema Qualzucht habe ich bereits in einem anderen Text aufgegriffen. Rein ethisch lehne ich es ab, mit der „Produktion“ von leidensfähigen Lebewesen Geld zu verdienen.
Ich möchte alle ermutigen, die ihr Leben mit einem Hund teilen möchte, ein Tier aus dem Tierschutz zu adoptieren. Aber überlegen Sie bitte gut, bevor Sie auf die Seiten der Hundevermittlungen gehen, ob Sie wirklich bereit sind, die damit verbundenen Veränderungen (und diese können gravierend sein) zu akzeptieren und ob derartige Einschnitte in Ihr Leben (Beruf, Freizeit, Hobby etc.) passen. Wenn Sie diese Fragen zugunsten eines pelzigen Mitbewohners entscheiden können, sollten Sie sich auch noch bewusst machen, dass Sie letztlich nichts über Ihren neuen vierbeinigen Partner wissen. Auch wenn sich die Menschen, die diese Hunde vermitteln, viel Mühe geben ihre Schützlinge zu beschreiben, bleiben die Aussagen oft nur vage und sind manchmal schlicht nicht zutreffend. Welchen Charakter, welche Erfahrungen, Ängste, Vorlieben, Eigenheiten und vielleicht sogar gesundheitliche Einschränkungen der Hund mitbringt, bleibt meist völlig unklar. Wir gehen immer davon aus, dass nach kurzer Eingewöhnungszeit alles genauso läuft, wie wir uns unser Hundehalterdasein immer erträumt haben. Aber dem ist leider nicht immer so. Natürlich kann das zutreffen und sie werden ein unglaublich eingespieltes Team. Aber es können auch Probleme auftreten, die die Eingewöhnung schwierig gestalten oder die sich bei aller Liebe nicht in Ihr Leben integrieren lassen, z.B. wenn der Hund nicht alleine bleiben kann (die meisten können es lernen, dennoch sollten sich die Zeiten des Alleinseins in Grenzen halten!) Je offener Sie an Ihr Hundehalterdasein herangehen und je ungenauer Ihre Vorstellung von Ihrem Leben an der Seite eines Hundes ist, desto besser. Übertriebene oder falsche Vorstellungen an Ihren neuen Freund führen schnell zu Enttäuschungen und vorschnellen Neuentscheidungen. Die Konsequenzen haben in erster Linie immer die Hunde zu tragen und jede Abgabe verstört (vielleicht sogar traumatisiert) das Tier zusätzlich.
Straßenhunde zeigen oft hochsoziales Verhalten untereinander, was sich allerdings schlagartig ändern kann, wenn sie (falsch) an der Leine geführt werden. Sie sind es häufig gewohnt, sich von Unrat, Müll und Sonstigem, was auf der Straße liegt, zu ernähren. Dieses Verhalten ist schwer korrigierbar, auch wenn die Zeiten des Futtermangels längst vorüber sind. Viele von ihnen sind sehr selbständig, sie waren es ja nicht anders gewöhnt, was dazu führen kann, dass der Freilauf noch eine Zeitlang nicht möglich sein wird. Straßenhunde kennen nicht das Leben in einer Wohnung oder einem Haus, das kann beängstigend sein, Stubenreinheit kennen sie daher wahrscheinlich auch nicht (aber auch das ist oft schnell gelernt). Straßenhunde kennen kein Halsband (das sollte auch so bleiben!) oder Brustgeschirr. Sie kennen das an einen Menschen Festgebunden sein… ÜBERHAUPT nicht. Geben Sie Ihrem Hund etwas Zeit, sich daran zu gewöhnen. Anleinen gehört zu den Situationen, die ungeheuer angstbesetzt sein können. Zu schnelles Vorgehen, wie andere zu schnelle Annäherungen auch, können zu Vertrauensverlust oder Drohverhalten aus der Angst heraus führen. Auch hier gilt die Regel, dass kleine Schritte oft schneller ans Ziel führen, größere dagegen schnell die Problematik verschärfen können.
Bedenken Sie bitte auch, dass Straßenhunde von heute auf morgen
plötzlich mit einer völlig neuen Umgebung, neuen Menschen, neuen
Geräuschen und möglicherweise neuen technischen „Ungeheuern“ wie z.B.
Lastwagen, Zügen, Straßenbahnen, Treckern konfrontiert werden, was sehr
beängstigend sein kann. Und bedenken Sie auch, dass Hunde bei Angst nur
mit Flucht oder Angriff reagieren können.
Geben Sie Ihrem Hund Zeit sich
einzugewöhnen. Zeigen Sie ihm die neue Welt in für ihn „aushaltbaren
Portionen“, die ihn nicht ängstigen und die er positiv erlebt. Erwarten
Sie erst einmal nichts von Ihrem Vierbeiner. Lassen Sie sich Zeit ihn
kennenzulernen und zu studieren, das Gleiche tut der Hund auch. Sollten
Sie einen Hund haben, der derart gestresst, geradezu paralysiert ist,
legen Sie ihm in eine ruhige Ecke eine Matratze, stellen Sie Futter und
Wasser hin und rollen Sie Ihren Teppich auf. Manchmal tauen diese armen
Seelen nach Stunden auf, manchmal dauert es ein paar Tage (in seltenen
Fällen auch länger).
Wichtig ist, dass wir dem Tier Zeit geben, seine
neue Umgebung als ungefährlich einzustufen, dann können auch diese Hunde
lernen, sich in ihrem neuen Leben zurechtzufinden. (Damit die
Eingewöhnung für beide Seiten so angenehm wie möglich verläuft, wären
noch einige andere Punkte zu beachten, auf die ich jetzt aber nicht im
Einzelnen eingehen möchte. Sollten Sie diesbezüglich Fragen haben,
kontaktieren Sie mich einfach.)
Machen Sie sich ausreichend Gedanken, ob
Sie bereit sind, ein Leben mit einem Lebewesen zu teilen, das
möglicherweise gänzlich andere Bedürfnisse hat als Sie (lieben Sie die
Bewegung an der frischen Luft, ungeachtet der Wetterlage?). Ob Sie
bereit sind, sich den anfänglichen Eingewöhnungsschwierigkeiten, die mit
Ihrem neuen Freund verbunden sein könnten, zu stellen. Überlegen Sie
sich gut die Konsequenzen, die es auf jeden Fall haben wird und haben
könnte, wenn Sie einen Hund in Ihr Leben holen.
Und bitte bedenken Sie
auch, dass ein Hund ein leidensfähiges Mitgeschöpf ist, dass wir nicht
einfach fortschieben dürfen, wenn es nicht unseren Vorstellungen
entspricht (das kann ich gar nicht oft genug sagen).Dabei sind es gerade
die verhaltensauffälligeren Hunde, von denen wir lernen können, die
oftmals viel bemühter sind, sich mit uns auseinanderzusetzen, weil ihnen
bewusst ist, wie sehr sie uns brauchen, weitaus mehr als ihre
Artgenossen, die in sich ruhen. Freundschaft und Partnerschaft ist etwas
was sich entwickelt, die Richtung die diese Beziehung nimmt, geben
alleine wir vor.
Eines kann ich Ihnen versichern, der Aufwand, der
mit dem Einzug eines Hundes einhergeht, wird von Ihrem Hund in
unbeschreiblicher Weise gedankt.
* „Soziale
Deprivation (sozialer Erfahrungsentzug) führt zum Deprivationssyndrom,
einem Symptomkomplex mit phasenspezifischer Genese (Entwicklung).
Es
handelt sich um eine schwerwiegende Entwicklungsstörung, die sich auf
alle Verhaltensbereiche auswirken kann, einen Komplex von
Verhaltensstörungen, die durch Vorenthalten oder Entzug sozialer
Erfahrungen bedingt ist und die Kommunikation mit der Umwelt zeitlebens
mehr oder weniger ausgeprägt bzw. irreversibel (unumkehrbar)
einschränkt. So können Bewegungsstereotypien auftreten oder zwanghafte
Stereotypen sozialen Verhaltens (ein Hund kontrolliert permanent seinen
Sozialpartner und sein Verhalten ist auf dessen Verhalten fixiert).
Diese Symptome kennzeichnen das Deprivationssyndrom, welches zudem durch
ständige Unruhe oder Apathie, plötzliche aggressiver Reaktionen und
vielschichtige zwanghafte Gewohnheiten charakterisiert ist. Erkundungs-
und Spielverhalten sozial deprivierter Hunde sind gestört, ihre
Lernleistungen sind verringert. Hinzu kommen die herabgesetzte Fähigkeit
oder Unfähigkeit zu sozialen Kontakten, wie die Unfähigkeit zur
sozialen Eingliederung.“ (Dorit Urd Feddersen Petersen)
Deprivation führt zu:
allgemeiner Ängstlichkeit
allgemeiner Nervosität
gestörte Angstkontrolle
gestörte Erregungskontrolle
gestörte Frustrationskontrolle
verstärkte Angst-Aggression
Zwangsverhalten
Hyperaktivität / Hypersexualität
erhöhte Wachsamkeit
Neigung zu Trennungsangst
Neigung zu Phobien
Ob Deprivation der Grund
für Unsicherheit, Unruhe oder Stress u.v.m. ist, kann wahrscheinlich
nicht zweifelsfrei geklärt werden, wenn die früheren Lebensumstände des
Hundes unbekannt sind. Ich würde von einer sozialen Deprivation
ausgehen, wenn ein Verhalten auch nach längerer, angemessener Zeit
(Wochen oder Monate) trotz sorgfältigster Desensibilisation, sich kaum
oder gar nicht verändert hat.
Entgegen der
verhaltenswissenschaftlichen Aussage, dass eine soziale Deprivation
generell unumkehrbar ist, glaube ich, dass mit sehr viel Ruhe, sehr viel
Voraussicht und sehr viel Geduld und Liebe, das eine oder andere
Verhalten verändert werden kann bzw. dass Verhaltensauffälligkeiten
bedingt abgebaut werden können.
16. Erwartungen und wie Hunde so sind
In unseren Köpfen ist ein Bild „wie Hunde so sind“. Dieses Bild ist geprägt durch Heldenhunde aus TV und Kino, aus diversen Hundeunterhaltungsshows, überliefertem / fragwürdigem „Wissen“ über Wölfe und anderen starren Überzeugungen. Dazu kommen nicht zuletzt unsere Erwartungen, die wir mit der Adoption eines Hundes verbinden. Und nicht zuletzt unsere Wünsche und Hoffnungen, von denen wir nicht bereit sind abzulassen, und die wie ein Fluch auf unseren Hunden lasten. Und wie bei menschlichen Partnerschaften auch, je mehr wir erwarten, desto größer kann die Enttäuschung sein. Unsere Partnerwahl, ob nun zwei- oder vierbeinig, ist selten realistisch und wird selten geschlossen, um dem Anderen gut zu tun. Ein Hund soll UNS gut tun. Er SOLL so sein wie die Heldenhunde Lassie, Rex, Hachikō; intelligent, todesmutig und treu bis in den Tod. Was den ersten Punkt angeht, werden sie uns auch nur selten enttäuschen, und wenn dem so ist, dann liegt das nicht unbedingt an dem Hund. Doch schon mit den beiden anderen Eigenschaften wird es brenzlig. Tatsächlich sind die meisten Verhaltensauffälligkeiten bei Hunden auf Angst zurückzuführen (erwarten Sie aber bitte nicht, dass jeder Trainer das erkennt, aber dazu habe ich mich bereits in anderen Texten deutlich geäußert.) Diese Tatsache verwundert auch kaum, wenn man sich etwas mit der Sozialisierung von Hunden (oder Lebewesen im Allgemeinen) auskennt und die bisherigen Lebensumstände der Hunde näher betrachtet.
Wir glauben, alle Hunde seien gleich (tun das Pferde- oder Katzenhalter eigentlich auch?) oder zumindest so, wie es im Rassekatalog steht. Dass Hunde Lebewesen sind, mit einer Fülle von Erfahrungen, die sie geprägt haben und die ihr Verhalten mehr oder weniger immer beeinflussen werden, vergessen wir. Wie wir Menschen auch, wird das Wesen der Hunde (wie alle Lebewesen), durch ihre Erfahrungen geformt. Und leider steht das auch in keinem Buch.
Wir suchen unsere vierbeinigen Partner -ebenso wie unsere zweibeinigen ;-) - also in erster Linie nach Aussehen aus. . Manch einer bezieht in seine Entscheidung noch eines der unzähligen Hunderassebücher mit ein (je nach Autor- woher die das wohl alles wissen?- wird eine Rasse mal argwöhnisch und misstrauisch und anderes Mal als kinderlieb und verschmust beschrieben?!!) Rassebücher können Sie also auch vergessen, d.h. diejenigen, die diese als Hilfe hinzugezogen haben, sind auch nicht besser dran. Und von der Vorgeschichte unseres Vierbeiners hören wir selten etwas und wenn doch, wird das Schlimme einfach weggelassen oder wir ziehen die falschen Rückschlüsse.Kurz und gut: Bei Ihnen zieht Lebewesen ein von dem sie im Grunde GAR NICHTS wissen, an das Sie aber jede Menge Hoffnungen, Wünsche und Erwartungen knüpfen. Enttäuschungen, Unsicherheiten, Stress und Frustration sind vorprogrammiert. Wenn wir uns aber die Lebensumstände, das soziale Umfeld und vor allem die Erfahrungen, die unser neuer Freund mit Menschen gemacht hat, genauer ansehen, wird uns schnell klar, dass sich daraus nicht immer ein selbstbewusster, in-sich-ruhender und unkomplizierter Charakter entwickeln kann.
Vor dem Hintergrund wird deutlich, dass manch ein Hund erst einmal gerettet werden muss, weil er traumatisiert oder erhebliche Deprivationsschäden aufweist! Diese Hunde können keine Erwartungen erfüllen und bangen in erster Linie um ihr eigenes Überleben! Diese Hunde brauchen einen liebevollen Retter, keinen Dompteur oder Tierabrichter (und schon gar nicht Cesar Milan!)
17. DOMINANZ- Monster Hund
Die Medien sind voll mit Berichten über Hunde, die Menschen gerettet haben, über ihre einzigartige Treue und ihre unbeschreibliche Loyalität. Und jeder, der jemals einen Hund als Freund hatte, wird diese Darstellung genau so bestätigen.Auf der anderen Seite, wollen uns die Hundekenner weis machen, dass unsere Hunde nichts anderes als die Machtübernahme im Kopf haben und dass ihre Herrschsucht an permanenten Machtdemonstrationen erkennbar sei. Selbst ein vorsichtiges Stupsen, ist demnach ein deutliches Zeichen des hundlichen Herrschaftsanspruches. Wenn das für den Hund nicht derart dramatische Folgen hätte, könnte ich darüber auch herzhaft lachen. Aber das Lachen darüber ist mir mit den Jahren abhanden gekommen, weil ich tagtäglich sehe, welche Auswirkungen diese Fehlinterpretationen auf das Leben unserer Hunde haben. Nicht allein, dass viele von ihnen bis zu ihrem letzten Tag unverstanden blieben, was auch immer mit einer Isolation einhergeht. Viele Hunde werden in kleine Käfige weggesperrt, weil selbst ihre Verlassensängste mit Dominanzgehabe erklärt wird!! Viele müssen hungern und dursten und werden körperlich und seelisch eingeschüchtert bis hin zur Traumatisierung.
Lieber Hundehalter: Lassen Sie es nicht zu, dass man Ihren gesunden Menschenverstand beleidigt. Ein Anstupsen durch Ihren Hund ist nichts anderes als eine Kontaktaufnahme. Was genau Ihr Hund Ihnen damit sagen möchte, werden Sie sehen, wenn Sie hinschauen. Ein Knurren im Spiel ist nichts anderes, als ein Laut des Spieleifers. Ein Zwacken beim Toben passiert sehr schnell, weil Hunde nur ihren Fang zum greifen haben. Ein Hund, der nicht vom Sofa möchte und dieses durch knurren anzeigt, ist nicht dominant, er kommuniziert! (Dr. Dorit Urd Feddersen-Petersen, eine der führenden Hundeverhaltensforscherinnen:“ Ein Hund der knurrt ist nicht aggressiv, er kommuniziert!“) Ein Hund, der versucht den Spaziergang mitzugestalten (welche Richtung, welche Geschwindigkeit etc) ist nicht dominant, er möchte wahrscheinlich nur die Zeit des Nichtgelangweiltseins etwas heraus zögern. Ein Hund, der Sie anbellt, möchte Ihnen etwas mitteilen, möchte Ihre Aufmerksamkeit oder ist schlicht erregt, dominant ist er nicht. Diese Liste könnte ich noch beliebig lang weiterführen. Die Verunsicherung der Hundehalter ist grenzenlos. Zum Thema Dominanz habe ich bereits diverse Erklärungen abgegeben, nehmen Sie sich etwas Zeit sie zu lesen. Auch die kleine Broschüre „Dominanz Tatsache oder fixe Idee“ von Barry Eaton kann sehr hilfreich sein.
Bitte versuchen Sie all dieses Pseudowissen wieder aus Ihrem Kopf zu verbannen. Schauen Sie wieder Ihrem Hund in die Augen und vertrauen Sie auf Ihre innere Stimme und Ihre Intuition. Und glauben Sie mir, der Hund möchte nicht Ihr Chef werden (Rudelführer geht schon gar nicht, weil Sie dazu selbst ein Hund sein müssten und zudem auch noch Teil seiner Familie, also Vater, Mutter oder Kind). Kein Lebewesen auf diesem großen Planeten strebt nach der Vorherrschaft über eine Welt, die es nicht versteht, AUCH NICHT IHR HUND.
und nochmals Dominanz, oder
18. Trauriges Schicksal: Unverstanden
Ich bin immer wieder zutiefst bestürzt, wie oft und wie rigoros unsere Hunde in ihrem Verhalten missverstanden werden. Dabei ist ihre Sprache gar nicht so schwer zu deuten. Und nichts deutet darauf hin, dass diese Falscheinschätzungen (und die damit einhergehenden Konsequenzen für die Hunde) in naher Zukunft ein Ende haben werden. Im Gegenteil, in den letzten Jahren hat sich das Wort DOMINANZ und RUDELFÜHRUNG regelrecht in unseren Köpfen eingebrannt. Es geht bei dem Thema Hund nur noch um diese beiden Begriffe! (Auf beide Begriffe bin ich auf meiner Internetseite mehrfach eingegangen).
Wir haben uns tatsächlich mit den Jahren immer mehr von unseren Hunden entfernt. Davon, mit ihnen zu kommunizieren und davon, sie zu verstehen. Jede Regung eines Hundes wird mittlerweile als Dominanzgeste eingestuft. Die Herren und Damen Hundesachverständigen sollten, bevor sie diese Bezeichnungen verwenden, erst einmal begreifen, was sie überhaupt bedeuten! Wenn diese Ausdrücke erst einmal verstanden wurden, wird jedem klar, wie unsinnig sie sind!Dominanz oder Überlegenheit wird oft verwechselt mit dem Streben nach einem gewissen Status. Hunde werden den Menschen sehr wahrscheinlich, schon aufgrund seiner Größe, als überlegen sprich dominant einstufen. Ein Kampf um die Machtposition macht zudem keinen Sinn, da Hund und Mensch in verschiedenen Welten leben (Hunde können die Welt der Menschen nur sehr begrenzt verstehen, wie sollten sie diese anführen wollen?). Dazu kommt, dass ein Kampf mit einem vermeintlich Stärkeren nur dann Sinn macht, wenn das eigene Überleben in Gefahr ist, oder um die Fortpflanzung zu sichern. Das Machtstreben, lieber Leser, IST IN UNSEREN KÖPFEN, nicht in denen der Hunde! Ein Hund, der einen Menschen anknurrt, weil er ihm sein Spielzeug oder Futter wegnehmen möchte, zeigt kein Dominanzverhalten sondern kommuniziert „lass das“, mehr nicht.
Ein Beispiel:Stellen Sie sich einmal vor, Sie würden Ihren Partner nach einem Streit für 3 Stunden in den Keller sperren. Was meinen Sie wohl, wird dieser machen, wenn Sie die Kellertür wieder öffnen? Nun stellen Sie sich bitte vor, Sie hätten Ihren Hund in den Keller gesperrt. Was zeigt dieser, wenn Sie die Tür öffnen? Stimmt, er wird sich freuen (es sei denn er fürchtet Sie). Würde ein Lebewesen, das Sie dominieren will, ein derartiges Verhalten zeigen?
Und warum zeigen Hunde auch im Umgang mit uns Menschen fortwährend Beschwichtigungssignale, die nichts anderes bedeuten wie „tu mir nichts, ich tu dir auch nichts“? Glauben Sie etwa Ihr Hund will Sie nur täuschen? Beschwichtigung macht einen großen Teil der Körpersprache bei Hunden aus. Hunde sind – von wenigen Ausnahmen abgesehen- stets bemüht, einen Konflikt zu vermeiden! Und an dieser Stelle möchte ich noch einmal anführen: Dass so wenig Menschen durch Hunde verletzt werden, obwohl Einschüchterung -mit und ohne Schmerzzuführung- bei der Hundeerziehung das Mittel der Wahl ist, und obwohl der Mensch häufig seine Machtposition missbraucht, ist hauptsächlich auf das friedfertige Wesen der Hunde zurückzuführen!
Es scheint, dass es der Mensch ist, der sein Machtstreben auf den Hund projiziert. Bitte lieber Hundehalter, schenken Sie derartigem Unsinn keine weitere Aufmerksamkeit mehr und studieren Sie stattdessen die Sprache Ihres Hundes. Sie werden überrascht sein, wie leicht diese erlernt werden kann und was Ihnen Ihr Hund erzählt.
19. Alleine bleiben…
Oft hört man Mein Hund kann locker 8 Stunden alleine bleiben. Ich frage mich, woher wollen die Menschen das wissen? Fakt ist: Der Hund BLEIBT 8 Stunden alleine, er hat schließlich keine Wahl. Und vielleicht dringt auch kein Laut der Trauer oder der Verzweiflung an irgendjemandes Ohr. Halter, die es wirklich wissen wollen, filmen ihren Hund während des Alleineseins, doch auch das gibt nur bedingt Aufschluss, wie es dem Hund wirklich geht. Selbst ein Hund, der regungslos in seinem Körbchen liegt, kann verzweifelt sein. Bestenfalls schläft der Hund, ohne Frage, ein Hinweis, dass es für ihn okay ist. ABER kein Hund schläft 8 Stunden…
Leider ist es trauriger Alltag für viele Hunde, alleine zu sein, ohne es gelernt zu haben, angespannt, nervös, unsicher und unfähig zu schlafen. Selbstverständlich ist ein Zusammenleben zwischen Hund und Mensch in vielen Punkten ein Kompromiss. Wie könnte es auch anders sein, wo beide Seiten doch in einigen Punkten grundverschiedene Bedürfnisse haben? Wir sollten stets darauf achten, dass immer ein Kompromiss gesucht wird, der für beide Seiten das Beste ist. Dabei sollten wir aber auch vorher und nachher abwägen. Wenn ich z.b. einen Hund von der Straße hole, wo er Hunger, Durst, Kälte, Angst und Gewalt ausgesetzt war, ist es sicher besser, ihn für ein paar Std alleine zu lassen (sofern er die Möglichkeit hatte, es zu lernen), als ihn in seiner oft ausweglosen Situation auf der Straße sich selbst zu überlassen.Wie aber bringe ich dem Hund nun bei, dass Alleinebleiben aushaltbar und nicht angstbesetzt ist?
Fangen Sie wenn möglich vom ersten Tag an, wenn der Hund bei Ihnen einzieht, mal eine Tür hinter sich zu schließen, ruhig und liebevoll. Ganz nach Gefühl, nicht zu lange, nicht zu oft. Ihr Hund schaut sich seine neue Welt an, und es ist gut, wenn er in dieser Beobachtungsphase gleich lernt, dass Menschen von Zeit zu Zeit aus dem Raum/Haus gehen und gleich wieder kommen. Steigern Sie diese Zeiten langsam.Wenn Ihr Hund bereits Verlassensangst aufgebaut hat (bellt, jault, zerstört die Wohnung etc.) müssen Sie in kleinen Schritten die Auslösereize löschen. Beispiel: Ihr Hund wird nervös, wenn Sie Ihren Schlüssel nehmen, weil er gelernt hat, dass damit Ihr Verschwinden eingeleitet wird, müssen Sie als Erstes den „Haustürschlüsselreiz“ löschen, indem Sie mehrfach am Tag einfach mal den Schlüssel nehmen, in die Hose stecken etc. und damit durch die Wohnung gehen, sich aufs Sofa setzen oder was auch immer. Variieren Sie das Schlüsseltraining, aber ignorieren Sie Ihren Hund dabei völlig. Hunde sind sehr schlau und merken gleich, wenn eine Szene nur gestellt ist! Wiederholen Sie das Schlüsselnehmen mind. 20x am Tag und so lange, bis ihr Hund bei diesem Reiz völlig entspannt (und ich meine WIRKLICH entspannt liegen bleibt, also kein aufhochen und kein beobachten durch Ihren Hund!) Wenn Ihr Hund darauf nicht mehr reagiert, ziehen Sie sich z.B. nachdem Sie den Schlüssel genommen haben, die Schuhe an. Gehen Sie so vor, wie zu Beginn usw. bis Sie nach und nach alle Reize, die ein Weggehen dem Hund anzeigen ausgelöscht haben. Diese Reize sind i.d.R.: Schlüssel, Schuhe / Jacke anziehen, Tasche nehmen, zur Wohnungs- oder Haustürgehen, die Haustür schließen… Wenn Sie alle Reize gelöscht haben und draußen sind, gehen sie erst einmal ein paar Tage unvermittelt wieder rein. Beachten Sie die stürmische Begrüßung nicht groß, denn es ist ja „ganz normal“ kurz zur Tür hinaus zu gehen. Steigern Sie die Zeiten langsam. Bei Angst gilt: Am Anfang MINIschritte, diese eine ganze Zeit nur sehr gering steigern und später können die Schritte größer werden. Auch an dieser Stelle: Hundetraining scheitert meistens an zu großen Schritten. Nehmen Sie sich Zeit, Angst überwindet niemand von heute auf morgen.
20. Hund abzugeben…
Leider gehört auch das zum traurigen Alltag vieler Hunde, dass sie nicht mehr gewünscht sind. Sie werden weitergegeben, abgeschoben, weggegeben. Fairerweise muss ich sagen, dass es auch Umstände gibt, die wirklich nicht mehr vom Halter zu beeinflussen sind. In den meisten Fällen aber wird diese Entscheidung zu schnell getroffen, oder es war die Entscheidung an sich –einen Hund zu holen- die zu schnell getroffen wurde. Natürlich ist es besser, dass für einen Hund ein neues Zuhause gesucht wird, wenn er nicht (mehr) erwünscht ist. Das Traurige ist nur, dass diese Hunde häufig angstbedingte Verhaltensstörungen zeigen, die den neuen Halter auch schnell frustrieren und überfordern. Wobei die Angstproblematik hinter den meisten Verhaltensauffälligkeiten noch nicht einmal gesehen wird. Wie auch, wo doch die Damen und Herren Hundeflüsterer, Hundetrainer und Hundefachkundigen aus TV und Nachbarschaft vorherrschend damit beschäftigt sind, den Hund zusätzlich zu malträtieren und zu stressen. Die offensichtliche Notwendigkeit, nämlich die Ursache für das Verhalten zu ergründen, um es zu verändern, kommt ihnen dabei nicht einmal in den Sinn. Aber dazu bedarf es auch mehr, als es das übliche Repertoire der Hundedompteure hergibt. Ein unendlicher Teufelskreis, Verlierer ist wie immer das Tier.
Ich möchte jeden Hundehalter-vorausgesetzt er liebt seinen Hund wirklich- ermutigen, sich professionelle Hilfe zu holen. Und damit meine ich nicht all diejenigen, die mit Schepperketten,–dosen oder sonstigen Wurfgeschossen, den letzten Rest an Sicherheit aus den Hunden heraus schleudern. Ich meine auch nicht all diejenigen, deren einzige Vorgehensweise Luftabdrücken, Anschreien, Leinenruck oder andere schmerz- bzw. angsteinflößenden 0815/Methoden sind, die die Hunde nur noch tiefer in ihre Verzweiflung stürzen! Und ich möchte jeden Hundehalter dringend ans Herz legen, jeden Hundetrainer, der derart vorgeht, bei der zuständigen Behörde zu melden, damit dieses Elend endlich ein Ende nimmt!
Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass es oft andere und bessere Lösungen gibt, als den Hund weiterzureichen. Diese Möglichkeiten sehen wir nur deshalb oftmals nicht, da wir uns viel zu sehr in unseren Gewohnheiten verloren haben.