41. Entspannt oder doch gestresst?
Innerliche Katastrophen zeigen sich nicht immer mit vergleichbarer Wucht auch an der Oberfläche. Wir machen bei der Beurteilung des Gemütszustandes unserer Hunde häufig den Fehler, dass wir meinen, dass mit unserem Hund alles in bester Ordnung ist, weil er sich scheinbar unauffällig oder gar nicht bewegt oder weil er keinen Ton von sich gibt. Sätze wie „plötzlich rastet der Hund aus, ohne jede Vorwarnung“ sind das Resultat. Und es ist erneut ein Indiz dafür, wie wenig wir unsere Hunde kennen und wie schnell wir bereit sind sie zu diskreditieren.
Es ist immer das gleiche traurige Spiel: Dass wir in der Beziehung zu den Hunden die meisten Fehler machen, ist uns nicht bewusst und käme so manch einem wohl auch nie in den Sinn. Wir sind häufig fest davon überzeugt, dass wir unsere Hunde bestens einschätzen und beurteilen können, ohne eine Ahnung davon zu haben, wie falsch wir nicht selten damit liegen. Dieser Umstand ist allerdings weniger unserer Unfähigkeit geschuldet, als vielmehr das Resultat jahrelanger Fehlinformationen zum Thema Hund.
Ich möchte Sie bitten, genauer hinzusehen. Ein Hund, dem es nicht gut geht, weil er Angst oder anderweitigen Stress hat, ist das anzusehen. An seiner Art sich zu bewegen oder seiner Art sich nicht zu bewegen (Muskelspannung, Körperhaltung), an seinem Blick, an seiner Atem- oder Pulsfrequenz. Ich erlebe immer wieder Hunde, die von ihren Haltern als entspannt beschrieben werden und die in Wirklichkeit gestresst sind. Um Stress zu erkennen müssen wir also genau hinsehen und wir müssen wissen, welche Verhaltensweisen bei Hunden Stress anzeigen können (wichtig: Hunde sind individuell, so ist auch ihre Körpersprache spezifisch, eine starre Betrachtung der Körpersprache kann uns auf die falsche Spur bringen). Auch sollten wir wissen, dass ein Hund durchaus in tiefster Verzweiflung stecken kann, ohne dass es dafür deutliche Hinweise geben muss. So zeigt ein Hund z.B. in wiederkehrend belastenden Situationen keinerlei oder nur noch äußerst geringfügige Anzeichen für Stress, da diese in einer sogenannten erlernten Hilflosigkeit nicht mehr gezeigt werden. Solche Situationen sind prädestiniert, um Anspannung mit Entspannung zu verwechseln.
Laut psychologischem Wörterbuch wird Entspannung folgendermaßen definiert: „...kurzfristiger (phasisch) oder länger anhaltender Zustand reduzierter metabolischer, zentralnervöser unbewusster Aktivität. Entspannung ist auf subjektivverbaler, physiologischer und motorischer Ebene mess- und definierbar. Entspannungszustände sind nicht mit den Schlafphasen gleichzusetzen, Entspannung geht mit wachem Verhalten einher, wenngleich auch die Schlafphasen subjektiv als entspannend erlebt werden können. Muskuläre, autonome und subjektive Entspannung müssen nicht korrelieren“. [Dorsch 1992, S. 176]
Entspannung findet also immer auf mehreren Ebenen statt: Auf der körperlichen, der seelischen und der geistigen Ebene und betrifft somit körperliche Vorgänge und Verhaltensweisen sowie Emotionen und Denkprozesse. Die körperliche Entspannung ist gekennzeichnet durch ein Nachlassen der Muskelanspannung, einer Senkung der Herzfrequenz und des Blutdrucks sowie einer Verlangsamung der Atemfrequenz. Die emotionale Entspannung ist charakterisiert durch Gefühle des Wohlbefindens, der inneren Ruhe, Gelassenheit und Gelöstheit. Darüber hinaus reduziert sich die Gehirnaktivität und damit die Kopfarbeit (an alles oder nichts denken), Denkabläufe finden gelockert statt. Außenreize werden vermindert wahrgenommen und lösen nur noch erschwert eine Reaktion aus.
Wenn Sie nun künftig das Verhalten Ihres Hundes bzw. seinen Gemütsverfassung hinsichtlich eines Entspannungszustandes beurteilen wollen, sollten Sie das unter diesen Aspekten tun.
Zum besseren Verständnis nachfolgend eine Erläuterung zum Thema (Dis-)Stress, der Kehrseite zur Entspannung. (Dis-)Stress ist definiert als ein Spannungszustand, der durch die Befürchtung entsteht, dass eine aversive, zeitlich nahe oder bereits eingetretene subjektiv lang andauernde Situation als nicht vollständig kontrollierbar erlebt wird, deren Vermeidung aber subjektiv wichtig erscheint“. (vgl. Aichinger, 2003)
Stress bewirkt immer einen subjektiv empfunden Zustand des „inneren Kampfes“ und kann je nach Intensität, Dauer und individuellem Empfinden zu Hyperaktivität oder Lethargie in Verbindung mit einer Depression führen. Charakteristisch für akuten (Dis-)Stress ist u.a. ein erhöhter Muskeltonus, erhöhte Wachsamkeit, erhöhte Atem- und Pulsfrequenz, verminderte Darmtätigkeit und erhöhte Nervosität.
Nun ist der sogenannte Disstress nicht immer ein Gefühl höchster Not, doch ein anfänglich minimales Stressempfinden kann zu einer massiven Belastungsstörung heranwachsen, wenn sie andauert. Und je höher der Stresslevel, je länger der Zustand des Gestresstseins, desto schwieriger wird es, diesen wieder aufzulösen.
Eine korrekte Einschätzung der Gefühlslage unserer Hunde ist nicht nur wichtig, weil sie uns Aufschluss darüber gibt, welche Verhaltensweisen zu erwarten sind und somit welche Vorkehrungen evtl. zu treffen sind ( Vorsorge ist besser als Nachsorge), sondern auch, weil dieses Verständnis die Grundvoraussetzung bildet, um dem Hund in bestimmten Situationen helfen zu können (Training von Alternativerhalten).Wir vergessen immer wieder, dass ein Problem nur gelöst werden kann, wenn wir das Prinzip dahinter auch verstanden haben.
Abschließend noch zwei kurze Beispiele, wie schnell wir Anspannung mit Entspannung verwechselt werden können.Ein Hund muss immer dicht an Fußgängern vorbeigehen. Die Körperhaltung ist leicht geduckt, die Muskeln sind angespannt und die Pulsfrequenz ist erhöht. Der Hund ist in erhöhter Alarmbereitschaft, d.h. gestresst. Diese Veränderungen können allerdings nur wahrgenommen werden, wenn der Halter auf seinen Hund achtet und genau hinsieht. Da wir in der Regel jedoch selbst schauen müssen, wohin wir gehen, werden diese Anzeichen für Stress nicht gesehen. Die trügerische Einschätzung des Halters lautet: Mein Hund hat überhaupt kein Problem, sich sicher durch dichtes Menschengedränge zu bewegen. Bis dann eines Tages „aus heiterem Himmel“ der Hund Verteidigungsverhalten in Form z.B. von Schnappen gezeigt hat, weil die andauernde Belastung nicht mehr aushaltbar war.
Ein anderes Beispiel ist die häufige Annahme der Halter, dass ihr Hund locker allein bleiben kann, weil das Ausbleiben von bellen, jaulen oder fiepen mit Entspannung gleichgesetzt wird. Ein Hund, der gestresst ist, muss dies nicht zwangsläufig über Lautäußerungen preisgeben! Hunde können völlig lautlos in Gefühlen wie Verlassensein, Angst oder Einsamkeit ausharren.
Es gibt sicher noch eine Fülle an weiteren Beispielen, in denen wir Anspannung mit Entspannung verwechseln. Solche Fehlinterpretationen sind deshalb so tragisch, weil sie ein sinnvolles Training und einen fairen Umgang mit unseren Húnden unmöglich machen.
Bitte denken Sie immer daran: Nur wenn wir die Notwendigkeit erkennen, wirklich hinzusehen, werden wir auch fair mit unseren Hunden umgehen können.
42. Wenn Hunde älter werden
Auch beim Älterwerden unserer Hunde ist es hilfreich den Vergleich zu uns Menschen herzustellen. So entspricht ein einjähriger Hund ungefähr einem 14 Jahre alten Menschen. Dieser enorme Alterungsprozess nimmt bei Hunden allerdings auch wieder ab. Im mittleren Hundealter nähert sich diese Entwicklung der geläufigen 7:1 Regel (1 Menschenjahr entspricht 7 Hundejahren). Und ein 10jähriger Hund altert ca noch 4 Jahre schneller als wir. Selbstverständlich sind das nur Richtwerte. Der individuelle Verlauf des Älterwerdens ist abhängig von der Haltung, dem Gesundheitszustand und der genetischen Disposition. Doggen z.B. werden selten älter als 6 Jahre, auch andere großwüchsige Tiere haben eine geringere Lebenserwartung als kleinere Hunde..
Welche Veränderungen finden im Körper eines alternden Hundes statt?
• Durch die verzögerte Zellerneuerung verringert sich der Muskelanteil sowie das Binde- und Stützgewebe.
• Abnahme der Nervenzellen.
• Der Anteil an Fettgewebe erhöht sich zu Lasten der Muskelmasse.
• Der Stoffwechsel verändert sich, Nahrungsbestandteile können nicht mehr so gut verwertet werden, die Ausscheidungsfähigkeit von Medikamentenrückständen oder Giften nimmt ab und der Verdauungsapparat wird insgesamt träger.
• Die Fähigkeit Wasser zu speichern nimmt ab.
• Alle Sinnesorgane verlieren zunehmend ihre Wahrnehmungsfähigkeiten.
• Haut, Knochen, Bänder, Sehnen etc degenerieren, was eine deutlich geringere Körperbelastbarkeit zur Folge hat.
• Schmerzhafte entzündliche Abnutzungsprozesse insbesondere an Hüften, Ellenbogen, Knien, Schulter und Wirbelsäule (Arthrose) häufig in Verbindung mit schmerzhaften Muskelverspannungen durch Fehlhaltungen.
Diese Aufzählung ist nicht vollständig, viele weitere körperliche Veränderungen begleiten und erschweren das Leben des alternden Hundes.
Arthrose spielt im Alter fast immer eine Rolle, daher möchte ich dazu noch ein wenig mehr informieren. Von Arthrose sprechen wir, wenn sich der Gelenkknorpel über die Jahre immer mehr abgenutzt hat. Der Knorpel hat die Aufgabe, die Bewegungen ab zu federn und so die Gelenkknochen zu schützen. Gelenkschmiere hält den Knorpel geschmeidig. Knochenabsplitterungen, zu wenig Gelenkschmiere oder Gelenkfehlbildungen sind die Hauptgründe dafür, dass der Knorpel sich mehr und mehr durch Reibung abnutzt. Eine extrem schmerzhafte Entzündung der Gelenkhaut ist die Folge. Schwierigkeiten beim Aufstehen, Steifbeinigkeit, Gelenkknacken und vieles mehr deuten bereits auf eine fortgeschrittene Arthrose hin. Darüber hinaus führen häufig Fehlhaltungen sogenannte Schonhaltungen zu äußerst qualvollen Muskelverspannungen und damit wiederum zur stärkeren Abnutzung der weniger degenerierten Gelenke und Knochen.
Bei Arthrose sind mehrere kürzere Gänge über den Tag verteilt sinnvoller, als lange Spaziergänge. Wichtig ist, dass die Beweglichkeit und die Muskeln erhalten bleiben. Bewegungsvermeidung ist daher nicht sinnvoll. Schwimmen ist beispielsweise bestens geeignet dem Muskelabbau entgegenzuwirken ohne die Gelenke zu belasten. Auch langsames Gehen auf weichem Untergrund ist förderlich. Eine sinnvolle Unterstützung bieten auch Physiotherapeuten und Tierärzte.
Da Vorsorge immer besser ist als Nachsicht möchte ich an dieser Stelle kurz einen gedanklichen Abstecher machen und auf typische und alltägliche Bewegungen im Leben von jungen Hunden hinweisen, die insbesondere die Vorderbeine belasten und damit die Entstehungen von Arthrose begünstigen.
• Ball- bzw. Wurfspiele sollten wir auf ein Minimum begrenzen, da dieses abrupte Stoppen aus dem vollen Lauf die Vorderbeingelenke extrem belasten! Mittlerweile würde ich sogar soweit gehen, dass ich solche Spiele ganz aus dem Repertoire streiche. Weitaus besser geeignet sind Such- und Fährtenspiele und Aufgaben bei denen die Spielutensilien im ruhigen Lauf apportiert werden. (Denken Sie bitte immer daran, Hunde zeigen in der Regel erst sehr spät über das Lahmen oder Humpeln an, dass eine Belastung über das Maß hinaus stattgefunden hat und die Gesundheit bereits in Mitleidenschaft gezogen ist.) • Treppenlaufen insbesondere kurzbeinige Hunde und Hunde mit einer ungesunden Anatomie, aber auch große Hunde mit einer gesunden Anatomie können bei häufigen Treppenlaufen früher Gelenkprobleme ausbilden.
• spezielle Hundesportarten • Springen speziell herunterspringen von Möbelstücken, aus dem Auto oder von sonstigen erhöhten Flächen. Leider machen wir uns selten bei jungen Hunden darüber Gedanken, wenn sie ausgelassen und übermütig von bzw. auf Sofas, Betten, Stühle oder sonstigem springen. Die Verletzungsgefahren und die zahlreichen Auswirkungen, die sich möglicherweise erst später zeigen, sind uns nur selten bewusst. Es gilt: Je kurzbeiniger - sprich ungesünder die Anatomie des Hundes - desto wahrscheinlicher werden sich diese Sprünge irgendwann rächen, z.B. mit frühzeitiger Arthrose. Dann helfen ggf. nur noch Medikamente und auch diese werden nur bedingt Erleichterung schaffen. Wenn Sie Ihrem Hund den Zugang zum Sofa bzw. Bett ermöglichen möchten, trainieren Sie von Anfang das Laufen über Rampen oder zumindest das Abspringen auf eine weiche Matratze oder einem entsprechendem Kissen.
Zurück zu den Seniorenhunden.
Bleiben wir beim Springen. Besonders ältere Hunde werden uns dankbar sein, wenn sie bei der Überwindung von Höhenunterschieden gehoben werden oder über Rampen laufen dürfen. Aber nicht nur das Herunterspringen, sondern auch das Hochspringen sollte vermieden werden, da hochspringen mit zunehmendem Alter beschwerlicher wird und weil diese Bewegung diverse Verletzungsgefahren (Kreuzbandriss etc) birgt. Maßgeschnittene Schaumstofframpen können hier zum Einsatz kommen und gute Dienste leisten. Größere Hunde, die Sie nicht tragen können oder wenn gerade keine Rampe zur Hand ist, sollten Sie Sprünge mit festem Griff am Brustgeschirr abfangen oder unterstützen.
Neben den vielen körperlichen Einschränkungen und Auswirkungen, die wir beachten sollten verändert sich jedoch auch das Verhalten der Hunde im Alter. Wie viele Menschen auch entwickeln Hunde im Alter Ängste. Diese Tatsache ist wenig verwunderlich, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass auch Hunden durchaus bewusst ist, dass sie in (vermeintlich) gefährlichen Situationen sich schlechter wehren bzw. flüchten können, sie werden regelrecht zu Opfern. So können Hundebegegnungen problematischer werden, weil präventiv versucht wird, sich andere vom Leib zu halten, was sich in Drohverhalten unterschiedlichster Ausprägung zeigen kann (bitte nicht den Hund dafür bestrafen!). Auch Freiläufe auf entsprechenden Plätzen mit jungen Wilden werden seltener von Seniorenhunden geschätzt, da aufgrund der schmerzenden Knochen nur noch wenig Interesse an stürmischen und ungestümen Spielen besteht. Heftiges und wildes anrempeln, schubsen oder gegenseitiges jagen und auf den Boden drücken ist mit Schmerzen und nicht zuletzt mit Verletzungsgefahr verbunden und es finden sich immer ein paar Rowdys unter den Hunden, die auf die körperlichen Wehwehchen ihrer älteren Artgenossen keine Rücksicht nehmen. Dagegen sind seniorengerechte Formen des Spiels oder Kontakte selbstverständlich auch im Alter noch je nach Gesundheitszustand eine willkommene Ablenkung von der vielen Langeweile, die ein Hund so erleidet.
Auch Geräuschängste wie Feuerwerk, Schüsse, Straßenverkehr usw. können sich durchaus im Alter entwickeln. Insgesamt ist die Palette der möglichen Reize, die mit zunehmendem Alter als beängstigend oder bedrohlich eingestuft werden können, endlos. Wenn Sie Ihren Hund aufmerksam beobachten, werden Sie sicher herausfinden, was Ihr Hund braucht, da er es Ihnen deutlich mitteilen wird.
Es gibt viele Möglichkeiten, das Leben eines alternden Hundes zu erleichtern und Schmerzen zu minimieren. Mit einem speziellen Brustgeschirr, das eine sehr breite Auflagefläche unter der Brust bietet, können Sie z.B. dem Hund z.B. helfen Treppen zu laufen oder Höhenunterschiede zu überwinden, indem Sie einfach ein Teil seines Gewichtes mittragen. Maßgeschneiderte Schaumstofframpen verhindern unfallträchtige und schmerzhafte Sprünge. Orthopädische Unterlagen oder Hundebetten und vieles mehr kann das Altwerden für Ihren Hund etwas angenehmer gestalten.
Auch kann eine langsame Umstellung des Futters ratsam sein, da die Speichelproduktion nachlässt was dazu führt, dass speziell trockene Nahrung schlechter herunter geschluckt werden kann (Erstickungsgefahr). Auch die Kaukraft – wenngleich es sich hierbei um einen der stärkste Muskel überhaupt handelt - lässt nach. Oft reicht es aus, das Trockenfutter einzuweichen. Ebenso können Zahnprobleme (bitte unbedingt vom Tierarzt untersuchen lassen) und die verminderte Fähigkeit zur Geschmackswahrnehmung eine Umstellung des Futters sinnvoll machen. Und nicht zuletzt verändert sich auch der Stoffwechsel bei alternden Hunden, so können z.B. Nahrungsbestandteile nicht mehr so gut verwertet werden. Verteilen Sie Ihre Futtergaben über den Tag hinweg, größere Futtermengen können zu Verdauungsproblemen führen, da auch der Verdauungsapparat seine Leistungsfähigkeit im Alter einbüßt. Beachten Sie bitte auch, dass Hunde - wie wir - im Alter weniger Kalorien verbrauchen und das Übergewicht zusätzlich die Gelenke und die Organe belastet sowie das Diabetesrisiko fördert.
Zusammenfassend kann man also sagen, dass das Altern sich nachteilig auf
• die Sinneswahrnehmungen, also Sehkraft, Hörfähigkeit, Tastsinn, riechen/schmecken• die Motorik, also Beweglichkeit, Kraft, Geschicklichkeit• das Gehirn, also Gedächtnis, Reaktionsfähigkeit, Koordination, Informationsverarbeitung
auswirkt.
Doch das hässlichste Gesicht des Älterwerdens ist wahrscheinlich die häufige und oft andauernde Schmerzbelastung, die in der Regel kontinuierlich ansteigt. Nach vielen Gesprächen mit Tierärzten bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass eine Gabe von entzündungshemmenden und/oder schmerzlindernden Medikamenten sinnvoll sein kann. Auch dauerhaft. Letztlich müssen wir für und wider immer gut abwägen. Bitte informieren Sie sich bei Ihrem Tierarzt, ob und wann eine medikamentöse Behandlung der Schmerzen angesagt ist, denn ein Leben voller Schmerz ist kein Leben mehr.
Beobachten Sie Ihren Hund und fühlen Sie sich in seinen alternden vielleicht schmerzenden Körper hinein. Bedenken Sie immer dabei, dass Hunde ihren Schmerz lange nicht so deutlich zeigen, wie wir Menschen es in der Regel tun. Manchmal sind es Kleinigkeiten, die auf Schmerzen hinweisen: Lecken von Gliedmaßen oder Körperstellen, häufiges Liegen, einrollen der Zehen im Liegen, langsamere und Bewegungen, nachlassen der Bewegungsfreude. Lahmheit wird – wie bereits erwähnt- erst sehr spät gezeigt. Wahrscheinlich gibt es nur ausgesprochen wenige Menschen, die das Leben mit einer vergleichbaren Schmerzintensität noch so tapfer meistern würden, wie es unsere Hunde tun! Doch genau diese Tapferkeit birgt auch zugleich die große Gefahr, dass die Menschen nicht erkennen, dass ihr Hund hier und da Hilfe oder so manche Veränderungen braucht.
Wie sich das Älterwerden gesundheitlich bemerkbar macht, ist selbstverständlich individuell. Aber eine Aussage kann allgemeingültig getroffen werden: Altwerden ist nichts für Feiglinge, das gilt auch für Hunde. Berücksichtigen Sie das vermehrte Ruhebedürfnis, achten Sie auf eine Altersgerechte Bewegung und schauen Sie, wo Ihr Hund Hilfe braucht oder wo eine Umstellung der Gewohnheiten sein Leben verbessern könnte.
43. Die Bezeichnung Problemhund ist problematisch
Die Anzahl der Hunde, die üblicherweise als Problemhunde bezeichnet werden, steigt gewaltig. Und tatsächlich ist es erschreckend, wie viele Hunde unter uns leben, die wahrlich große Probleme im Umgang mit uns Menschen oder in der Begegnung mit Ihresgleichen haben.
Ich mag diese Bezeichnung gar nicht, da ihr die Aussage anhaftet, der Hund sei das Problem. Doch das ist falsch. Der Hund ist nicht das Problem, sondern der Hund hat Probleme, bei deren Bewältigung er unsere Hilfe braucht. Und leider fehlt auch viel zu oft die Einsicht, dass i.d.R. wir Menschen es waren, die den Hunden so viele Probleme gemacht haben, dass sie verhaltensauffällig wurden. Es handelt sich also häufig um Hunde, die mit Problemmenschen Kontakt hatten.
Erinnern Sie sich an den „Problembären“ Bruno, wie Herr Stoiber ihn nannte? Dieser Name wurde ihm verliehen, weil er von Menschen als Problem gesehen wurde, weil er zu nah, zu anders, zu groß, zu braun und was weiß ich noch alles war. Und er wurde so betitelt, weil er völlig verkannt und bewusst verteufelt wurde. Das alles bezahlte er mit dem Leben. Was das mit Hunden zu tun hat? Mehr als Sie vielleicht denken. Auch Hunde bezahlen viel zu oft mit ihrem Leben, weil sie falsch trainiert, falsch behandelt, falsch eingeschätzt und bewusst verunglimpft wurden.
Aus diesen Gründen mag ich diese Bezeichnung überhaupt nicht. Ich finde sie sehr negativ und gänzlich ungeeignet.
Welche Hunde gelten als Problemhunde?
Als Problemhunde gelten alle Hunde, deren Verhaltensauffälligkeiten dazu führen, dass der Umgang mit ihnen von uns mehr Aufmerksamkeit oder mehr Einsatz fordert. Und alle Hunde, die teilweise oder gänzlich Widerstand zeigen, wenn sie in das zuweilen arg begrenzte Leben der Menschen integriert werden sollen. Dabei sei angemerkt, dass dieser Widerstand oftmals nicht auf einer Entscheidung des Hundes basiert, sondern dem Umstand der Andersartigkeit geschuldet ist. (Allein von den Bedürfnissen passen Hunde und Menschen nur bedingt zusammen, z.B. Bewegungsfreude.)
Wie kann ich einem Hund mit Problemen helfen?
Einzig, indem das eigentliche Problem des Hundes erkannt wird. In erster Linie sind es Angstprobleme, die sich in Verteidigungsverhalten, Weigerung, oder Aggression äußern. Es muss also immer das auslösende Gefühl (häufig Angst) analysiert und dann entsprechend therapiert werden.Welche Fehler werden häufig bei sogenannten Problemhunden gemacht?1. Das eigentliche Problem wird gar nicht analysiert, falsch interpretiert oder schlicht standardisiert.2. Das Problem wird durch Strenge, Einschüchterung und Gewalt in jeder Form (auch stimmlich) „aus der Welt geschafft“ .Diese gängige Praxis hat immer zur Folge, dass sich das Problem verstärkt und/oder noch weitere hinzukommen.)
Um einem Hund mit Problemen helfen zu können ist es ratsam, genau zu beobachten und vorschnelle Interpretationen bewusst zu vermeiden. Es gibt keinen Problemkatalog, in dem wir einfach mal nachschlagen können. Jedes Problem ist individuell: In seinem Anfang, seiner Ursache und seiner Auswirkung. Mit der richtigen Problemanalyse steht und fällt somit alles. Nachdem Sie das ursächliche Problem für das Verhalten verstanden haben, sollten sie konsequent freundlich und für den Hund verständlich ein Alternativverhalten bzw. Angstreduktion trainieren.
44. Sein Sie Ihrem Hund ein netter „Chef“
Es geht in diesem Beitrag NICHT darum, wie Sie ein „Chef“ werden, denn diese Position haben erwachsene Menschen naturgegeben inne. (mehr dazu siehe vorangegangene Beiträge). Vielmehr möchte ich Sie ermutigen, ein freundlicher und wohlwollender „Chef“ zu sein. Denn für freundliche und wohlgesonnene Chefs arbeitet jeder gerne. Eine Tatsache, die sich letztendlich für alle auszahlt. (Die paar Dummbaxe, die Gutmütigkeit ausnutzen, lasse ich einfach mal unerwähnt ;))
Ein Chef, der mich lobt und mit mir besonnen und respektvoll umgeht, kann sicher sein, dass ich gerne zur Arbeit komme, hoch motiviert ans Werk schreite und zeige, was in mir steckt. Ein Chef dagegen, der mürrisch, unberechenbar und undankbar ist und mir zudem noch einen geringen Lohn zahlt, kann auf all das nicht hoffen. Im Gegenteil.
Ein Chef, der schnell laut oder anderweitig beängstigend aus der Haut fährt, erreicht zudem, dass ich Fehler mache, weil ich mich vor lauter Stress nicht konzentrieren kann.
Simples Prinzip: AKTION = REAKTION.Und dieses Prinzip können Sie 1:1 auf das Zusammenleben mit Hunden übertragen.
Überdenken Sie bitte einmal Ihre „Chefrolle“.
Sind Sie der „Chef“, den Sie selbst gerne hätten? Sind Sie der Chef, der aufgrund seines respektvollen und freundlichen Umgangs alles aus seinem Hund rausholt?Oder sind Sie ein "Chef", der unaufhörlich seine Führungsposition deutlich macht, weil er Angst hat diese Position könnte ihm durch einen Moment der Freundlichkeit abhanden kommen? Und wenn Sie so ein "Chef" (geworden) sind, entspricht das Ihrem ureigenen Wesen? Verhalten Sie sich Ihrem Hund gegenüber so, weil es Ihrem Charakter entspricht?
Oder verhalten Sie sich so, weil man Ihnen eingetrichtert hat, dass man so mit Hunden verfährt, weil sie sonst bei der kleinsten Schwäche die Macht übernehmen? Aber ich bitte Sie, denken Sie nach: Wie sollte Ihr Hund die Macht übernehmen? Und wie könnte so eine Machtübernahme aussehen?Übernimmt er dann die Gewalt über den Inhalt Ihrer Vorratskammer oder des Kühlschranks? Verwehrt er Ihnen den Zutritt in die Schlafgemächer?
Oder hindert er Sie gar daran, das Haus nach Belieben zu verlassen? Oder lässt er gar die Schlösser in Ihrer Abwesenheit auswechseln und hängt anschließend ein Bettlaken mit der Aufschrift „dieses Haus ist besetzt“ aus dem Fenster? Mal im Ernst, was denken Sie passiert, wenn Sie Ihren Hund nicht alles verbieten oder vorschreiben? Wenn Ihr Hund draußen entscheiden darf, wie lange er schnüffeln kann?
Die Zeit draußen ist ohnehin VIEL zu kurz für sein Empfinden, das dürfen Sie mir glauben. Was passiert, wenn Ihr Hund einmal die Richtung vorgeben darf, in die er geht. Oder gar dauerhaft. Haben Sie sich dann blamiert? Glauben Sie wirklich an den ewig nach Macht strebenden Hund, der, wenn man ihm nur den kleinsten Finger reicht, gleich den ganzen Arm frisst? Ich versuche meinem Hund so viel Entscheidungsfreiraum wie möglich einzuräumen. Wenn er nach links will, gut, warum nicht. Wenn er eine gefühlte Ewigkeit an einem Grashalm riechen will, gut, warum nicht.
Wenn er unbedingt mit einem anderen Hunden spielen möchte, gut, wenn der andere das auch möchte, warum nicht. Wenn mein Hund stehen bleiben möchte, um irgendetwas zu betrachten, ja Himmel noch mal: WARUM NICHT? Ich habe ein Lebewesen mit ganz eigenen Bedürfnissen an meiner Seite, das ich mir aus Liebe geholt habe. Warum sollte ich mich dann wie ein Sklavenhalter benehmen? Es ist höchste Zeit, dass wir unser Bild über Hunde kritisch überdenken. Nur weil etwas über viele Jahren in unsere Köpfe gehämmert wurde, muss es nicht richtig sein. Und in diesem Fall kann ich mit absoluter Sicherheit sagen: Hunde planen weder die Machtübernahme über ihre Menschen noch über die ganze Welt. Wie sollten sie auch, sie verstehen die Welt ja nicht einmal! (Ihre Menschen leider häufig auch nicht.)
Dieses verzerrte Bild über unsere hochsozialen Hunde hat es fast unmöglich gemacht, dass Menschen mit ihnen noch glücklich und unbeschwert zusammenleben können. Von einem liebevollen Umgang ganz zu schweigen. Wir haben Hunde zu Sklaven degradiert, die bei jedem Versuch der Bedürfnisbefriedigung mehr oder weniger hart zurechtgestaucht werden. Und warum werden sie sofort gemaßregelt, wenn sie auch nur ansatzweise eigene Interessen zeigen? Weil ein Hund, der minimal versucht SEIN Leben mitzugestalten als dominant hingestellt wird. Was für ein furchtsamer Irrtum.Was für ein trauriges Hundeleben.
Trauen Sie sich die Zügel lockerer zu lassen. Vertrauen Sie Ihrem Hund (wieder). Verständigen Sie sich mit Ihrem Hund (wieder). Erkennen Sie die Bedürfnisse Ihres Hundes (wieder) an
45. Wenn der Hund alles frisst, was er finden kann
Gleich vorweg, dieses Verhalten zu steuern ist nicht einfach. Und es wird wahrscheinlich auch -trotz intensivster Bemühungen - in den meisten Fällen nur zu einem leidlich befriedigenden Ergebnis führen. Nicht, weil der Hund dominant, dumm oder ungehorsam ist, sondern weil es schlicht wider der Natur ist.
Bei diesem Thema stelle ich immer gerne eine Gegenfrage: Wie kann ich IHNEN abgewöhnen, keine Geldnoten vom Boden aufzunehmen? Das ist exakt das gleiche Prinzip. Somit wird deutlich, dass ein derartiges Verhalten nicht nur wider der Natur von Hunden ist, sondern es ist auch entgegen der Natur aller Lebewesen einschließlich der Menschen. Und damit wird auch gleich deutlich, warum dieses Verhalten bestenfalls überlistet, aber niemals abtrainiert werden kann.
Wie könnte so eine List aussehen, mit der ich verhindere, dass Sie das Geld vom Boden aufheben? Die Antwort ist verblüffend simpel: Ich muss Ihnen nur jedesmal, wenn Sie einen Geldschein aufklauben möchten, einen höheren Betrag bieten. Und genau das ist das Prinzip des Lernens: ES MUSS SICH LOHNEN. Lernen dient u.a. dem Überleben und unterliegt daher bestimmten Gesetzmäßigkeiten, die willentlich nicht einfach aufgehoben werden können.
Dieses Lernprinzip ist bei allen Säugetieren(denen der Mensch auch angehört!!) exakt das Gleiche. Die Entscheidung zu fressen, was herum liegt, wird also nicht erst von den Hunden in der Sekunde getroffen, wo der leckere Brocken vor der Nase auftaucht, sondern ist verhaltensbiologisch fest verankert. Ihr Hund kann quasi nicht anders…. So, wie Sie auch nicht anders könnten ;). Jedes Gehirn ist darauf programmiert, die eigene Lebenssituation zu optimieren, sei es durch Geld, Futter oder was auch immer.
Also, wenn wir auf dieses festverankerte Verhalten einwirken wollen, muss sich es für Ihren Hund lohnen NICHT alles zu fressen, was ihm vor die Füße fällt. Das ist das Prinzip. Wie so oft ist die Theorie einleuchtend, während die Praxis unmöglich erscheint. Dieses „es muss sich lohnen“ ist situationsbedingt manchmal schier unerfüllbar, da zwischen Futterfinden und Futteraufnehmen selten viel Zeit liegt. Wir werden folglich nur dann mit dem nachfolgenden Training den Hund am Fressen hindern können, wenn wir es rechtzeitig erkennen und rechtzeitig reagieren, bzw. wenn der Hund erst ausgiebig schnuppert bevor er zulangt.
Das nachfolgende Training lohnt aber dennoch alle Male, da es gleichzeitig das erfolgreichste Training ist, um den Hund generell abzurufen.
Wie sieht dieses Training aus?
Trainieren Sie – wie beim Klickertraining – ein Geräusch, trainieren Sie kein Kommando. Ein Klicker ist eine tolle Sache, aber bei dem Lärm, der draußen oftmals herrscht, nur bedingt geeignet. Am ehesten empfiehlt sich wohl eine Pfeife, aber Vorsicht verwenden Sie keine Hundepfeife, die Welt ist voll mit Menschen, die in Hundepfeifen pusten, bis ihnen die Luft ausgeht ;). Wählen Sie stattdessen eine Pfeife, die nicht so verbreitet ist.
Bauen Sie das Training folgendermaßen auf.
Setzen Sie sich mit Ihrem Hund im Haus oder in der Wohnung in Ruhe hin (keine Ablenkung durch Geräusche wie Fernsehen, Radio oder sonstiges und auch keine Ablenkung durch andere Personen). Wählen Sie als Belohnung etwas GROSSARTIGES und UNGLAUBLICHES, etwas was Ihr Hund sonst NIE bekommt. Schneiden Sie dieses in lohnenswerte Häppchen und legen Sie los.Pfeifen- füttern. Kein reden, kein loben, nur Geräusch und Futter. Und die Futtergabe erfolgt UNMITTELBAR nach dem Pfeifton. Wiederholen Sie das 14 Tage lang in mehreren Sequenzen (ca 70 Stückchen pro Tag). Nach 14 Tagen im Haus sollten Sie 1000 Wiederholungen geschafft haben und Sie können davon ausgehen, dass eine solide Konditionierung auf diesen Pfeifton stattgefunden hat. (Hinweis: Es ist ratsam den Hund in dieser Zeit abends zu füttern. Je mehr Appetit der Hund tagsüber hat, desto effektiver das Trainingsergebnis!)Danach rufen Sie draußen Ihren Hund mittels Pfiff unter langsamer Reizsteigerung ab, d.h. zu Beginn pfeifen sie nur, wenn Ihr Hund ohnehin nichts anderes zu tun hat, als sich ein Leckerlie abzuholen. Wichtig: Wenn Sie gepfiffen haben erfolgt IMMER die Belohnung, und zwar DIE Belohnung, die Sie trainiert haben. Setzen Sie die Pfeife also nur ein, wenn ein Abruf notwendig bzw. wichtig ist.
Natürlich gibt es zu diesem Thema etliche andere Tipps, die schnellen Erfolg versprechen. Tipp Nummer 1 ist der Maulkorb. M.E. ist derEinsatz eines Maulkorbes jedoch nur bedingt geeignet, um dieses Thema aus der Welt zu schaffen. Denn das Tragen eines Maulkorbes wird in den meisten Fällen von den Hunden als sehr unangenehm empfunden, häufiger mit der Folge eines erhöhten Stresslevels. Stress wiederum kann schnell neue Probleme bescheren, die weit schlimmer sind, als das ursprüngliche. Auch die Versuche mittels Erschrecken mit Geräuschen oder der „beliebten“ Wasserpistole sind definitiv ungeeignet, weil der Hund kontextbezogen lernt, d.h. Sie verhindern möglicherweise mittels Einschüchterung (mit der Sie nur in absoluten Notfällen arbeiten sollten!!), dass Ihr Hund diesen Brocken nicht verschlingt, aber die Verknüpfung zu all den anderen Leckereien, die so herum liegen, kann der Hund nicht herstellen.
Sie haben zudem den Hund für etwas bestraft, was in seinen Augen völlig legal war (wenn er überhaupt den Strafreiz mit seiner Futteraufnahme verknüpfen kann!), was zur Folge hat, dass Ihr Hund lernt, dass Sie UNBERECHENBAR sind. Solche Negativerfahrungen, die für den Hund weder vorhersehbar waren noch nachvollziehbar sind, sind wenig hilfreich, wenn es darum geht eine stabile Beziehung herzustellen. Und ohne stabile Bindung ist ohnehin alles schwierig und unschön. Das hässliche Thema Giftköder wird wahrscheinlich immer latent eine Gefahr bleiben. Diese Köder sind oft so verlockend verpackt, dass selbst Hunde fressen, die sonst nicht zu den „Staubsauger-Hunden“ gehören.
Bei dem Thema Giftköder/Hundehasser jedoch sollten wir ganz woanders anfangen, nämlich bei uns. Hundehass wird auch dadurch geschürt, dass immer noch die Mehrheit der Halter die Hinterlassenschaften ihres Hundes einfach liegen lassen. Das ist ein großes Ärgernis und hat schon manch einen zum Gift greifen lassen. Leider projizieren die Menschen ihre Wut auf die Hunde, statt auf die Halter. Lassen Sie uns alles tun, um dieses grausame Thema Hundehass so gut es geht einzudämmen. Dazu gehört auch, dass wir Begegnungen mit Menschen, die Angst vor Hunden haben oder diese einfach nicht mögen, verantwortungsvoll gestalten (rechtzeitig anleinen, oder kurz den Hund festhalten etc.) Bedenken Sie, dass nicht jeder von Ihrem Hund beschnuppert, verfolgt, verbellt oder angesprungen werden möchte, auch wenn Ihr Hund sich nichts böses dabei denkt.
Zusammenfassend kann man sagen, dass es immer ratsam sein wird, draußen aufmerksam zu bleiben und den Abruf gut zu trainieren. Aber wir müssen gezwungenermaßen auch ein Stück weit akzeptieren, dass es bei diesem Verhaltensmuster Trainingsgrenzen gibt, die man einfach hinnehmen muss.
46. Der Bindungstest
In meiner Ausbildung habe ich gelernt, dass man die Bindung des Hundes zu seinem Menschen ganz einfach durch folgende Übung feststellen kann: Der Hund wird festgehalten und der Halter/ die Halterin läuft vor den Augen des Hundes los und lässt sich ca 50m weiter zu Boden fallen. Ein Hund, der an seinem Menschen hängt wird sofort diesem ohne Umwege zu Hilfe eilen.
Das Ergebnis war überraschend: Mein Hund war der einzige von 12, der ohne Umweg zu mir gerannt kam. Die anderen Hunde ließen sich Zeit oder es reichte ihnen, den am Boden liegenden Menschen zu beobachten. Was sagt das aus? Ist so eine Übung geeignet, etwas über die Bindung zu sagen? Kann so etwas komplexes und zerbrechliches wie ein Gefühl der Verbundenheit tatsächlich mittels einer Methode, die gleichsam für alle gilt, gemessen werden?NEIN! Auch wenn wir es gerne einfach haben möchten.
Wenn wir gerne Hunde insgesamt vereinfacht dargestellt haben möchten, um sie besser zu verstehen oder kontrollieren zu können. Die Gefühle der Hunde lassen sich ebenso wenig mit 0815 Test einordnen, wie die der Menschen. Ob der Hund angerannt kommt - oder eben auch nicht - ist von zahlreichen Faktoren abhängig und ist darüber hinaus eine situationsbedingte spontane Entscheidung. Mehr nicht. Übertragen wir die Frage der Verbundenheit doch einmal auf unseren Partner bzw. unsere Partnerin. Wie würden Sie ihren)Partner testen, ob er Sie liebt? Wenn er Ihnen schenkt, worum Sie ihn/sie baten?
Wenn er Ihnen regelmäßig Blumen schenkt? Wenn er niemals Widerworte hat? Wenn er Sie vor Gefahren schützt? Oder wenn er angelaufen kommt, weil Sie gefallen sind? Wahrscheinlich nichts von alledem. Und wenn Sie sich eben noch der Liebe Ihres Partner/ Ihrer Partnerin sicher waren, kann es im nächsten Moment schon Zweifel geben. Und genauso schwierig bis unmöglich ist es, die Liebe eines Hundes an irgendetwas festmachen zu wollen. Das charakteristische an den Gefühlen ist, dass sie sich wie Wellen verhalten: Sie unterliegen ständiger Veränderung in Form und Intensität. Das trifft auf die Gefühle der Menschen und der Hunde zu. Somit wird dieser Test auch jedes Mal ein anderes Ergebnis bringen.
Mal schnuppert Ihr Hund noch an einem Halm, mal rennt er Bestzeit. Wir müssen uns davon verabschieden, dass Gefühle oder Beziehungen mittels solcher 0815-Tests in irgendeiner Weise messbar bzw. analysierbar wären. Dennoch ist das Thema Bindung ein sehr sehr wichtigstes Thema, ja vielleicht sogar ein zentrales Thema. Ein Hund, der an seinem Menschen hängt, wird sehr viel mehr Interesse an einem gemeinsamen Training haben, als Hunde, die lediglich bei ihren Menschen sind, weil sie keine Alternative haben. Auch spielt das große Wort VERTAUEN eine entscheidende Rolle. Ein Hund, der seinem Menschen nicht vertraut, weil dieser schnell laut oder grob wird, wird nicht nur in seiner Lernfähigkeit blockiert sein.
Und eines sollte Liebe meines Erachtens völlig ausschließen: Gewalt. Wir machen immer wieder den Fehler, dass wir Hunde als ganz andere Wesen ansehen, als uns selbst. Das ist das Ergebnis Jahrzehntelanger Indoktrination. Aber diese Überzeugung ist falsch – Hunde sind uns sehr ähnlich. Es sind Säugetiere wie wir und haben mit uns eine ca 80%ige genetische Übereinstimmung. Ihre Gefühle und Bedürfnisse decken sich fast vollständig mit unseren. Dieser Hinweis erscheint mir deshalb so wichtig, weil sich mit dem Einreden von Andersartigkeit auch schnell Ideen breit machen wie: Hunde lieben bedingungslos, egal wie wir sie behandeln. Nein, Hunde lieben nicht bedingungslos! Diese Annahme ist nichts anderes als das Resultat unserer tief verwurzelten Sehnsucht nach dieser einen bedingungslosen Liebe, die wir unter unseresgleichen wohl eher nicht finden werden.
Hunde haben nicht das Ich-liebe-meinen-Menschen-Gen. Wenngleich Hunde verzeihlicher und in vielerlei Hinsicht sozialer als Menschen sind – ihre Liebe müssen wir uns verdienen. Ihre Liebe ist eine Reaktion bzw. Reflexion. Sollten Sie mich also fragen, ob Ihr Hund Sie liebt, werde ich also passen müssen. Aber ich kann Ihnen zumindest ein paar Hinweise geben, die KEINE Liebesbeweise sind: • Ständiger Blickkontakt: Das kann auch Langeweile sein und Unsicherheit (was soll ich sonst tun oder lieber im Auge behalten, was man fürchtet) • Ständiges Hinterherlaufen: Zeigen fast alle Hunde und ist in erster Linie ein Hinweis auf Unterforderung • Schwanzwedelnde Annäherung bei der Begrüßung: Je nach Körperhaltung und Art des Schwanzwedelns auch oft aktive Demut, um den Menschen zu beschwichtigen • Bellen/jaulen beim Alleinsein: Ist häufig angstbesetztes Verhalten, was allerdings nicht zwingend die Angst vor dem Verlust des Menschen sein muss. Es kann auch die Angst vor dem Alleinsein im Allgemeinen sein.
Es gibt wie bereits erwähnt keinen Test mit dem Sie diese Frage klären könnten. Und selbst wenn es so einen Test gäbe, müsste er doch in regelmäßigen Abständen wiederholt werden.Sie müssen sich also ganz alleine auf den Weg machen, um die Antwort zu finden. Und diese kann Ihnen auch ausschließlich Ihr Hund geben. ABER es gibt einen oft bewährten Trick, den Sie anwenden können, damit Ihr Hund eine tief emotionale Bindung zu Ihnen eingeht: Lieben Sie zuerst. In meiner Ausbildung habe ich gelernt, dass man die Bindung des Hundes zu seinem Menschen ganz einfach durch folgende Übung feststellen kann: Der Hund wird festgehalten und der Halter/ die Halterin läuft vor den Augen des Hundes los und lässt sich ca 50m weiter zu Boden fallen. Ein Hund, der an seinem Menschen hängt wird sofort diesem ohne Umwege zu Hilfe eilen.
Das Ergebnis war überraschend: Mein Hund war der einzige von 12, der ohne Umweg zu mir gerannt kam. Die anderen Hunde ließen sich Zeit oder es reichte ihnen, den am Boden liegenden Menschen zu beobachten. Was sagt das aus? Ist so eine Übung geeignet, etwas über die Bindung zu sagen? Kann so etwas komplexes und zerbrechliches wie ein Gefühl der Verbundenheit tatsächlich mittels einer Methode, die gleichsam für alle gilt, gemessen werden?NEIN! Auch wenn wir es gerne einfach haben möchten. Wenn wir gerne Hunde insgesamt vereinfacht dargestellt haben möchten, um sie besser zu verstehen oder kontrollieren zu können. Die Gefühle der Hunde lassen sich ebenso wenig mit 0815 Test einordnen, wie die der Menschen. Ob der Hund angerannt kommt - oder eben auch nicht - ist von zahlreichen Faktoren abhängig und ist darüber hinaus eine situationsbedingte spontane Entscheidung. Mehr nicht. Übertragen wir die Frage der Verbundenheit doch einmal auf unseren Partner bzw. unsere Partnerin. Wie würden Sie ihren)Partner testen, ob er Sie liebt? Wenn er Ihnen schenkt, worum Sie ihn/sie baten? Wenn er Ihnen regelmäßig Blumen schenkt? Wenn er niemals Widerworte hat? Wenn er Sie vor Gefahren schützt? Oder wenn er angelaufen kommt, weil Sie gefallen sind?
Wahrscheinlich nichts von alledem. Und wenn Sie sich eben noch der Liebe Ihres Partner/ Ihrer Partnerin sicher waren, kann es im nächsten Moment schon Zweifel geben. Und genauso schwierig bis unmöglich ist es, die Liebe eines Hundes an irgendetwas festmachen zu wollen. Das charakteristische an den Gefühlen ist, dass sie sich wie Wellen verhalten: Sie unterliegen ständiger Veränderung in Form und Intensität. Das trifft auf die Gefühle der Menschen und der Hunde zu. Somit wird dieser Test auch jedes Mal ein anderes Ergebnis bringen. Mal schnuppert Ihr Hund noch an einem Halm, mal rennt er Bestzeit. Wir müssen uns davon verabschieden, dass Gefühle oder Beziehungen mittels solcher 0815-Tests in irgendeiner Weise messbar bzw. analysierbar wären. Dennoch ist das Thema Bindung ein sehr sehr wichtigstes Thema, ja vielleicht sogar ein zentrales Thema. Ein Hund, der an seinem Menschen hängt, wird sehr viel mehr Interesse an einem gemeinsamen Training haben, als Hunde, die lediglich bei ihren Menschen sind, weil sie keine Alternative haben.
Auch spielt das große Wort VERTAUEN eine entscheidende Rolle. Ein Hund, der seinem Menschen nicht vertraut, weil dieser schnell laut oder grob wird, wird nicht nur in seiner Lernfähigkeit blockiert sein. Und eines sollte Liebe meines Erachtens völlig ausschließen: Gewalt. Wir machen immer wieder den Fehler, dass wir Hunde als ganz andere Wesen ansehen, als uns selbst. Das ist das Ergebnis Jahrzehntelanger Indoktrination. Aber diese Überzeugung ist falsch – Hunde sind uns sehr ähnlich. Es sind Säugetiere wie wir und haben mit uns eine ca 80%ige genetische Übereinstimmung. Ihre Gefühle und Bedürfnisse decken sich fast vollständig mit unseren. Dieser Hinweis erscheint mir deshalb so wichtig, weil sich mit dem Einreden von Andersartigkeit auch schnell Ideen breit machen wie: Hunde lieben bedingungslos, egal wie wir sie behandeln.
Nein, Hunde lieben nicht bedingungslos! Diese Annahme ist nichts anderes als das Resultat unserer tief verwurzelten Sehnsucht nach dieser einen bedingungslosen Liebe, die wir unter unseresgleichen wohl eher nicht finden werden. Hunde haben nicht das Ich-liebe-meinen-Menschen-Gen. Wenngleich Hunde verzeihlicher und in vielerlei Hinsicht sozialer als Menschen sind – ihre Liebe müssen wir uns verdienen. Ihre Liebe ist eine Reaktion bzw. Reflexion.
Sollten Sie mich also fragen, ob Ihr Hund Sie liebt, werde ich also passen müssen. Aber ich kann Ihnen zumindest ein paar Hinweise geben, die KEINE Liebesbeweise sind:
• Ständiger Blickkontakt: Das kann auch Langeweile sein und Unsicherheit (was soll ich sonst tun oder lieber im Auge behalten, was man fürchtet)
• Ständiges Hinterherlaufen: Zeigen fast alle Hunde und ist in erster Linie ein Hinweis auf Unterforderung
• Schwanzwedelnde Annäherung bei der Begrüßung: Je nach Körperhaltung und Art des Schwanzwedelns auch oft aktive Demut, um den Menschen zu beschwichtigen
• Bellen/jaulen beim Alleinsein: Ist häufig angstbesetztes Verhalten, was allerdings nicht zwingend die Angst vor dem Verlust des Menschen sein muss. Es kann auch die Angst vor dem Alleinsein im Allgemeinen sein.
Es gibt wie bereits erwähnt keinen Test mit dem Sie diese Frage klären könnten. Und selbst wenn es so einen Test gäbe, müsste er doch in regelmäßigen Abständen wiederholt werden.Sie müssen sich also ganz alleine auf den Weg machen, um die Antwort zu finden. Und diese kann Ihnen auch ausschließlich Ihr Hund geben.
ABER es gibt einen oft bewährten Trick, den Sie anwenden können, damit Ihr Hund eine tief emotionale Bindung zu Ihnen eingeht: Lieben Sie zuerst.
47. Wenn aus Opfern Täter werden und von projizierter Wut
Es gibt Spaziergänge mit dem Hund, wo alles schief geht, was nur schiefgehen kann. Kennen Sie solche Tage? Ich hatte gestern so einen Tag. Als erstes bin ich mit dem Fuß umgeknickt, was recht schmerzvoll war. Später ließ sich mein Hund in einem Moment der Unachtsamkeit einen Kothaufen schmecken, was mich wirklich sehr ekelt, zumal… naja ich erspare Ihnen jetzt weitere Details ;)
Der Höhepunkt dieser Runde ereignete sich jedoch erst am Auto, als ich damit beschäftig war die Rampe für meine Hündin an meinem Auto zu platzieren, die sie für den Ein- und Ausstieg braucht. Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob ich mich -wie üblich- noch mal aufmerksam umgesehen habe, bevor ich meine Hündin kurz aus den Augen ließ, aber wahrscheinlich nicht. Und dann passierte es. Plötzlich tauchte eine Frau mit ihren Hund nur wenige Meter neben uns auf und meine Hündin startete durch. Dazu sei angemerkt, dass meine Hündin eigentlich aufgrund eines kaputten Beins und schwerer Arthrose gar nicht mehr rennen kann und sogar das langsame Gehen ihr deutlich Schmerzen bereitet.
Ich hatte somit gar keine große Angst, dass meine Hündin den anderen wirklich verletzen würde, sondern dass sie sich selbst ernsthaft verletzt, was in dem gesundheitlichen Stadium, in dem sie sich mittlerweile befindet, ihr Todesurteil sein könnte. Wenn Sie so eine Situation kennen, wissen Sie vielleicht, dass es gar nicht einfach ist einen aufgebrachten Hund zu fassen zu bekommen. Als ich meine Hündin dann erst einmal ein Stück beiseite genommen hatte, war ich in der Lage mit der Halterin zu sprechen und mir ihren Hund zu betrachten, der allem Anschein nach körperlich unverletzt war.
Ich war darauf gefasst nun wortreich von der Frau zurechtgewiesen zu werden, aber das blieb aus. Ich entschuldigte mich aufrichtig für meine Unaufmerksamkeit und für den Schreck, den ich zu verantworten hatte. Und ich war der Frau überaus dankbar, dass sie ganz und gar untypisch ruhig und freundlich geblieben war. Wir unterhielten uns noch eine kurze Zeit lang und sie sprach ein Problem an, was sonst kaum jemand in solch einer Situation erkennt: Nämlich die Folgen für ihren Hund. Sie erzählte mir, dass ihrem Hund Derartiges schon öfter passiert sei und dass sie sich langsam Sorgen um ihren Hund mache. Was absolut berechtigt ist. Tatsächlich sind das auch immer meine ersten Gedanken, wenn ich eine solche Situation irgendwo beobachte oder wenn ich höre „das machen die unter sich aus“.Denn, was wir häufig vergessen: Aus Opfern werden schnell Täter.
So wie bei meinem Hund. Warum ist aus meinem Hund ein Täter geworden? Meine Hündin ist vor einigen Jahren von einer Gruppe von 8 Hunden angegriffen worden. 6 irische Wolfshunde und zwei Schäferhundartige. Die Ironie an diesem Ereignis war, dass ich -kurz bevor der Angriff passierte- so glücklich war, weil mein Hund ruhig an meiner Seite stand, voller Vertrauen in mich, obwohl die Hunde hinter dem Zaun sich wild und laut gebärdeten. Ich dachte bei mir, dass sich mein langes Training ausgezahlt hatte und mein Hund es endgültig geschafft hat. Und das, obwohl mein Hund nicht nur einmal als untrainierbar eingeschätzt worden war. Und als ich so mit den Rücken zu den Hunden stand und zärtlich meinen Hund streichelte, gab der große stabile Zaun nach und mein Hund war binnen Sekunden unter den Hunden begraben.
So ein kollektiver Überfall endet nicht selten tödlich, weil sich die Hunde gegenseitig pushen. Ich war mir daher fast sicher, dass in diesem Augenblick mein Hund neben mir in Stücke gerissen wurde. All mein Bemühen, die Hunde wegzuschieben scheiterte, mein Hund war nicht mehr zu sehen und gab auch keinen einzigen Ton von sich.…Doch mein Hund überlebte diesen Angriff. Der Tierarzt brauchte drei Stunden, um all die Wunden zu nähen. Aber mir war die ganze Zeit klar, dass die seelischen Wunden viel viel schlimmer sein würden. Ich fing mit meinem Training bei ihr nicht nur erneut bei Null an, sondern noch viel weiter dahinter.
Es war derzeit uneinschätzbar, was diese Minuten der Todesangst mit meinem Hund machen würden. Ob sie möglicherweise sich niemals mehr von mir anfassen lassen würde, denn ich war es, die sie in diesem Moment im Stich gelassen hatte. Und ich war es, die sie in diese Situation hineingeführt hatte. In dem Moment ihres größten Vertrauens ist ihr das Schlimmste passiert! Ich wusste nicht, ob sie jemals wieder das Haus verlassen würde oder wie sie auf die nächste Hundebegegnung reagieren würde oder oder… …Wir können heute im Wald und im Feld wieder jedem Hund begegnen, sie zeigt mir, wie viel Sicherheitsabstand zu braucht und den billige ich ihr selbstverständlich zu. Wenn der andere Hund ruhig bleibt, bleibt sie es auch. In den Straßen gestaltet es sich bis heute deutlich schwieriger, was damit zusammenhängen kann, dass der besagte Zaun zu einem Haus gehörte und die Gefahr in Verbindung mit einem oder mehreren Häusern verknüpft wurde. Insgesamt ist es seitdem schwieriger großen hellen Hunden zu begegnen, was die gestrige Situation noch einmal verdeutlich hat.
Die ersten Jahre reagierte sie auf diese fast panisch. Heute reagiert sie zwar nicht mehr panisch, aber immer noch sehr gestresst (sehr hoher Puls, zittern und totale Muskelspannung.) So lange ich sie jedoch an der Leine führe oder einfach nur an ihrer Seite stehe meistern wir auch solche Begegnungen verhältnismäßig gut. Doch wenn ich ihre Leine nicht halte und sie nicht den Schutz durch mich spürt, greift sie an. Nicht, weil sie sich rächen will oder wütend ist, sondern weil sie darin ihre einzige Chance sieht, diese Begegnung zu überleben. So übertrieben wie das auf den ersten Blick klingen mag, genau das ist der Grund. Und obwohl ich das alles weiß, reagierte ich für ein zwei Minuten typisch menschlich: Ich war wütend auf meine Hündin. Weil sie mich in diese peinliche Situation gebracht hat.
Und bedenken Sie: Ich verdiene mein Geld damit, dass ich Hunde trainiere, was eine solche Aktion noch viel peinlicher macht! ABER: Bevor wir auf unseren Hund wütend sind, sollten wir gut überlegen, ob wir im Grunde nicht wütend auf uns selbst sind. Und das wurde mir sehr schnell klar und daher verflog diese Wut auch gleich wieder. Stattdessen quälte mich nun die Wut über mich selbst.
Vielleicht kennen Sie die Wut auf sich selbst, sie kann ohne Probleme noch eine Zeitlang andauern: Warum habe ich dies….? Warum habe ich das….? Wie konnte ich nur…? Der arme Hund, wie mag es ihm jetzt gehen? Ich bin sooooo blöd!!!!! Und zurück zum Anfang. Warum habe ich dies warum habe ich das….immer schön im Kreis…
Das hilft natürlich nicht weiter. Gut ist es dann, das Erlebte mit jemanden zu teilen, der es sachlich analysiert. Bei einer sachlichen Analyse wäre noch mal verdeutlich worden, dass zumindest körperlich niemand zu Schaden gekommen ist und –was jeder von uns in solchen Situationen wohl braucht – der Hinweis, dass wirklich niemand fehlerfrei ist.
Und mit diesen Erkenntnissen kann die innere Ruhe zurückkehren, um dann den einzigen Vorteil aus diesem Erlebnis zu ziehen: Eine weitere kostbare Erfahrung, die uns möglicherweise vor schlimmeren bewahren kann.
48. Tierkommunikation
Es gibt keine Wunder, für den, der sich nicht wundern kann>> sagte einmal Marie Ebner-Eschenbach. Und ich glaube durchaus an Wunder. Ich glaube, dass es Phänomene gibt, die sich schlicht nicht erklären lassen, zumindest nicht mit unserem heutigen Wissen. Aber ich glaube auch – und daran noch mehr – dass mit den Sorgen und Nöten der Menschen gerne ein Geschäft gemacht wird. Wo es keine Hoffnung mehr gibt, gibt es ja noch das Paranormale. Und wer wollte den Beweis antreten, dass diese Gespräche mit Toten oder Tieren nicht stattgefunden hätten? Ja und wer ist schon bereit, wenn außer Hoffnung nichts mehr übrig geblieben ist, diese auch noch aufzugeben?
Die Hoffnung stirbt zuletzt und das ist auch gut so, denn was wären wir ohne Hoffnung? Und was spricht dagegen, an einer Sehnsucht festzuhalten? Die Frage, ob ich an Tierkommunikation glaube, würde ich erst einmal mit JA beantworten. Allerdings würde ich diesem JA sogleich ein ebenso überzeugtes ABER folgen lassen.Ich schließe nicht aus, dass es Menschen gibt, die auf eine besondere Art und Weise mit Tieren in Kontakt treten können, die den meisten Menschen verborgen bleibt.
Paranormale Phänomene oder Parapsychologie sind ohne Frage sehr spannende Themen, die viele in ihren Bann ziehen. Doch es ist (und bleibt wahrscheinlich) eine Grenzwissenschaft, weil die Existenz übersinnlicher Fähigkeiten noch nicht in seriösen wissenschaftlichen Tests bewiesen werden konnten. Und das aus einem ganz simplen Grund: Derartige Phänomene konnten bis heute nicht willentlich herbei geführt werden, was am Ende immer das Scheitern des Versuchs zur Folge hatte. Dennoch will ich deren Existenz absolut nicht verleugnen. Im Gegenteil, ich glaube fest daran, dass es noch einiges gibt, was wir uns nicht erklären können. Ich glaube aber entschieden nicht, dass man derartige Fähigkeiten in teuren und obskuren Seminaren erlernen kann, die seit Jahren mega hipp sind. Ich bin fest davon überzeugt, dass man so eine Gabe hat oder nicht. Und ich bin überzeugt, dass diejenigen, die so eine Gabe besitzen weitaus seltener anzutreffen sind, als man es uns allgemein glauben lassen möchte.
An dieser Stelle sollte ich erwähnen, dass Tierkommunikation (ebenso wie Reiki) ein Teil meiner Ausbildung. Und meine Erfahrungen, die ich dort machen durfte, haben mich in dieser Überzeugung nur bestärkt. In diesem Zusammenhang „unterhielten“ sich Mitauszubildende mit meinem Hund und erzählten mir die haarsträubende Geschichten, die selbst einer sehr oberflächlichen Analyse nicht standhalten konnten. Eine Kollegin erzählte mir von meinem verstorbenen Hund und wie er heute auf einer grünen Wiese Ball spielt. Ich gebe zu, dass diese Vorstellung mir für einen kurzen Moment ein warmes Gefühl bereitet hat. Doch dieser schöne Moment war nur von kurzer Dauer und wurde jäh von einem Gefühl des Unglaubens und des Betrogenwerdens ausgelöscht. Darüber hinaus war ich fast gekränkt, wie leicht sie glaubte mich täuschen zu können und wie wenig originell die grüne Wiese „auf der anderen Seite“ war.
Ich verkniff mir die Frage, ob mein Hund wieder jünger geworden wäre, denn mit dem Ball hatte sie zuletzt gar nicht mehr spielen können. Dennoch möchte ich Tierkommunikation nicht gänzlich verteufeln, denn ich kann nichts Falsches daran erkennen, wenn Menschen den schmerzlichen Verlust eines Tieres besser verkraften, wenn sie derartiges hören. Und wer weiß, vielleicht gibt es diese grüne Wiese irgendwo wirklich. Eines ist sicher: Wer daran glauben kann und möchte ist sicher besser für die vielen traurigen Momente des Lebens gewappnet.
Warum ich mich mit Tierkommunikation kritisch auseinander setzen möchte ist, weil häufig den Kunden völlig unseriöse und folgenreiche Geschichten verkauft werden, die das Leben des Hundes einmal mehr nachteilig beeinflussen. Geschichten, die einzig dazu geeignet sind, das Missverstehen zwischen Mensch und Hund zu vergrößern und das Leben des Hundes zu erschweren. Und wahrlich, dafür sorgt schon eine sehr große Anzahl von sogenannten Hundeprofis.
Darum hier meine dringende Bitte: Seien Sie immer kritisch, wenn Ihnen mittels Tierkommunikation erklärt wird WARUM sich Ihr Hund so oder so verhält. Seien Sie kritisch, wenn Ihnen gratis zu dem verkauften Kontakt noch Trainings- oder Erziehungstipps mit auf den Weg gegeben werden. Geben Sie das Schicksal Ihres Hundes nicht aus den Händen, sondern bemühen Sie sich weiter um ein Verstehen. Glauben Sie mir, Ihr Hund bemüht sich nach Kräften und wartet bereits auf der Hälfte des Weges auf Sie!
Hunde haben es oftmals schon schwer genug in unserer menschendominierten Welt. Viele Antworten, die wir in Hinblick auf unsere geliebten Hunde suchen können wir allein durch Hinsehen und Hin-Fühlen beantwortet bekommen. Dafür brauchen wir keine verborgenen Kanäle sondern nur ein wenig Gefühl.
49. Fehlverhalten
Unter Fehlverhalten verstehen wir im Allgemeinen ein fehlerhaftes, falsches oder unangebrachtes Verhalten. Doch dieser Definition fehlt noch ein wesentlicher Aspekt, nämlich der Hinweis, dass dieses Verhalten auf einer freien Entscheidung basieren muss. Wir können nicht von Fehlverhalten sprechen, wenn derjenige aus verschiedenen Gründen gar keine Möglichkeit hatte, sich für ein anderes Verhalten zu entscheiden!
Nicht einmal der härteste Richter der Welt verurteilt ein Verhalten, wenn der Täter gar keine Alternative hatte! Und wir können auch nicht von Fehlverhalten sprechen, wenn das gezeigte Verhalten aus Sicht des „Täters“ gar nicht falsch sein konnte, da es ganz anderen Sichtweisen, Wahrnehmungen und Kriterien unterlag bzw. arttypisch war. Diese bedeutenden Merkmale können wir nicht einfach außer Acht lassen, nur weil das Verhalten von Hunden gezeigt wurde! Aber das tun viele Menschen: Sie bezeichnen ein Verhalten als Fehlverhalten, ohne zu hinterfragen, ob der Hund überhaupt eine Wahl hatte und ohne zu hinterfragen, WARUM er sich so verhalten hat. Allein das Verhalten der Hunde selbst liefert den Menschen ein ausreichendes Alibi, um sie in vielerlei Hinsicht zu verurteilen und zu bestrafen. Fast niemandem geht es darum, zu verstehen.
Welche Verhaltensweisen werden irrtümlicher Weise als Fehlverhalten bezeichnet?
1. Ziehen an der Leine – siehe nachfolgenden Artikel
2. Eigenständiger Umgang mit Ressourcen (Benutzung von Sofas, sogenanntes „klauen“ von Fressbarem, herumtragen von Gegenständen etc.)
3. Knabbern an Gegenständen (entweder Stressverhalten oder Langeweile. Die damit einhergehende Zerstörung eines Gebrauchsartikels ist dem Hund nicht bewusst!)
4. Urinieren und koten in der Wohnung(entweder hat der Hund noch nicht gelernt stubenrein zu sein oder Stressverhalten)
5. Anbellen von Hunden, Menschen, Tieren oder Gegenständen (Freude, Verhalten mit Aufforderungscharakter oder – leider häufig - Stress- bzw. Verteidigungsverhalten)
6. Ausbleiben des abgerufenen Kommandos (das, was häufig als Ungehorsam eingestuft wird ist entweder noch nicht erlernt oder kann in dieser Situation nicht gezeigt werden, weil der Hund angstblockiert ist oder sich aus anderen Gründen nicht konzentrieren kann)
7. Umgang mit anderen Hunden wie z.B. Analkontrolle, Queraufreiten, wildes Spiel (typisches Hundeverhalten)
8. Bellen in der Wohnung (entweder der Versuch der Kommunikation mit seinem Halter oder stressbedingt)
9. Kotfressen (hundetypisches Verhalten)
10. Knurren beim Spielen (hundetypisches Verhalten) und und und…
Diese Liste ist ganz sicher nicht vollständig, aber bietet immerhin schon mal einen kleinen Überblick, was KEIN FEHLVERHALTEN darstellt und somit, was nicht bestraft werden sollte.
Natürlich können Sie Ihren Hund immer anschreien, wenn er sich dem Tisch nähert oder sonst in irgendeiner Weise ein Verhalten zeigt, dass Sie nicht wünschen. Wahrscheinlich wird er sogar nach einigen Wiederholungen verstehen, dass sie immer aus der Haut fahren, wenn er sich dem Tisch nähert und es künftig lassen. Er lernt aber auch, dass sie gefährlich werden können. Der Hund zeigt schlicht Meideverhalten als Folge Ihrer Drohung.
Die weitaus bessere Lernvariante ist, dem Hund ruhig und konsequent zu zeigen, was er darf und was nicht. Wenn wir bei dem Beispiel der Tischannäherung bleiben, können wir den Hund ruhig aber konsequent daran hindern, sich dem Tisch zu nähern, in dem wir uns ihm in den Weg stellen oder durch das Austrecken von Arm oder Bein ihm zeigen, dass wir hier eine Grenze ziehen. Auch das wird ein Hund verstehen und akzeptieren, schlicht weil er weiß, dass wir die Stärkeren sind.
So ein Aufzeigen von Grenzen, das ruhig ausgeführt wird und den Hund nicht stresst hat den wesentlichen Vorteil, dass der Hund kein Misstrauen aufbaut. Misstrauen und Angst sind die größten Feinde in puncto Lernfähigkeit, weil sie immer mehr oder weniger zu Lern- und Denkblockaden führen. Zudem machen Missverständnisse ein harmonisches Miteinander zunehmend unmöglich.
Natürlich gibt es auch Situationen, in denen der Hund die Wahl hat und in denen er sich bewusst für etwas entscheidet, was wir als falsch ansehen. So eine Situation wäre z.B. wenn der Hund dem Kleinkind seinen Keks abnimmt. Hier handelt es sich um eine bewusste Entscheidung, die dem eigenen Vorteil dient. Es ist aber m.E. nicht gerechtfertigt so ein Verhalten zu bestrafen, weil es von jedem Lebewesen auf diesem Planeten, einschließlich der Menschen (oder vielleicht sogar INSBESONDERE der Menschen) gezeigt wird. Jeder ergreift eine Möglichkeit, wenn sie sich ihm bietet. Auch hier gilt, dem Hund auf freundliche aber konsequente Weise zu zeigen, dass das nicht gewünscht ist.
Bitte betrachten Sie immer das Verhalten der Hunde auch aus der Sicht der Hunde. Und bewerten Sie das Verhalten danach, ob es Alternativen gab, ob es hundetypisch war oder ob es stress- bez. angstbedingt war.
50. Ziehen an der Leine
ist mit eines der häufigsten Probleme, warum mich ein Halter um Hilfe bittet. Und es ist zugleich eines der schwierigsten. Bevor wir mit dem Training beginnen, müssen wir herausfinden WARUM Ihr Hund an der Leine zieht, denn je nach Motivation braucht Ihr Hund unterschiedliche Trainingsansätze.
Welche Gründe gibt es also, die einen Hund veranlassen an der Leine zu ziehen?
1. Ihr Hund zieht, weil er eine hohe Motivation hat, so viel wie möglich zu erleben und so weit wie möglich zu kommen. (Hat Ihr Hund in Bezug auf Alter und Individualität genügend Auslauf und Kontakt mit der Außenwelt?)
2. Ihr Hund zieht, weil er ein bestimmtes Ziel schnell erreichen möchte (Feld, Wald, Hundekumpel etc. etc.)
3. Ihr Hund zieht, da an ihm über einen längeren Zeitraum Leinentraining in Form von Stehenbleiben, Leinenruck, Umdrehen, Kreislaufen etc. ausprobiert worden ist. Diese Art von Training ist häufig die Ursache, dass ein Hund noch mehr zieht!
4. Ihr Hund zieht, weil er Stress/ Angst hat.
5. Ihr Hund zieht, weil es Gewohnheit geworden ist.
Die häufigste Reaktion der Halter ist der obligatorische Leinenruck, der das eigentliche Problem verstärkt, die Gesundheit des Hundes in Gefahr bringt und die Bindung belastet. (Dem Thema Leinenruck habe ich bereits einen Artikel gewidmet, den Sie in der Rubrik Grundsätzliches nachlesen können.)
Übliche Trainingsmethoden wie Stehenbleiben, Rückwärtsgehen, Kreislaufen, Richtungswechsel etc. führen, wie bereits beschrieben, häufig dazu, dass sich das Ziehen an der Leine verstärkt, weil der Hund das Lernziel überhaupt nicht verstanden hat. Statt zu verstehen baut sich beim Hund immer mehr Frustration auf. Die einzig kluge Reaktion darauf sieht der Hund schlicht darin, sich einfach noch mehr anzustrengen, um sein Ziel zu erreichen. In solchen Fällen ist ein Leinentraining noch schwieriger und manchmal sogar nicht mehr möglich.Und zu letzt die Variante „Schepperdose“. Tatsächlich werden auch Gegenstände wie Schlüssel, Schepperdosen oder was auch immer genutzt um den Hund immer wieder zu erschrecken.
Die einzige Folgen, die derartige Bemühungen haben sind: Schreckhaftigkeit, Nervosität und Angst-Aggressions-Störungen.
Was aber macht das Leinentraining so schwierig?
Ganz einfach, wir haben es hier mit gegensätzlichen Bedürfnissen zu tun. Der Eine will schnell, der Andere langsam. Wir akzeptieren keinen Kompromiss, der Hund soll sich unserer Geschwindigkeit (die i.d.R. für einen Hund viel zu langsam ist) anpassen. Ja und der Hund, hat schon wieder zig Stunden Langeweile im Haus, in der Wohnung, im Büro oder dem Arbeitsplatz etc. ausgehalten und möchte endlich ein wenig seine Bedürfnisse stillen, seine Geschwindigkeit laufen und am eigentlichen Leben teilhaben. Es wird deutlich, dass die Bedürfnisse von Hunden und Menschen oftmals nicht decken und an dieser Stelle bekommt es der Hund und bekommen auch wir es deutlich zu spüren. Nicht nur was die Geschwindigkeit betrifft, sondern auch die Länge der Spaziergänge. Allein das Wort Spaziergang macht die Gegensätzlichkeit deutlich.
Während wir Spazierengehen wollen, also in einer ruhigen Art und Weise schlendern möchten, wollen die Hunde i.d.R. laufen, rennen und toben. Wir lieben das Sofa, die Hunde gehören zu den Lauftieren. Und tatsächlich habe ich immer ein wenig Bauchschmerzen, wenn mich Halter rufen, damit ich genau dieses Problem „abstelle“, schlicht, weil ich es nicht einfach „abstellen“ kann. Hier tritt der Halter mit einer Erwartungshaltung an mich heran, die ich nicht leisten kann. Und was ich nicht leisten kann, leistet ein Anderer, nur eben mit Gewalt. Schmerzzuführung und Einschüchterungen sind ja leider allgemein akzeptierte Trainingsmethoden, die durchaus ein Trainingsziel binnen kurzer Zeit ermöglichen können. Das Prinzip dahinter ist ganz einfach: Ihr Hund muss nur genügend Angst vor Ihnen haben, dann wird er keinen Versuch mehr wagen, seine Bedürfnisse zu stillen. Er wird überhaupt nichts mehr wagen, was Ihren Unmut erzeugen könnte.
Diese Hunde gelten dann als gut erzogen.
Diese Hunde sind die einsamsten der Welt.
Ich würde Ihnen nun gerne noch eine allgemein gut funktionierende Trainingsmethode erläutern, die das Ziehen an der Leine auf gewaltfreie Art beendet. Aber die gibt es leider nicht. Es gibt nur individuelle Lösungen, die auf den Halter, den Hund und den Lebensbedingungen zugeschnitten sind.
51. Beißen und Schnappen
Täglich zwingen wir die Hunde in die Unterordnung, obwohl sie uns unablässig ihre Demut demonstrieren. Wir sind überzeugt, dass es uns zusteht Hunde durch Einschüchterung und Gewalt erziehen zu dürfen. Und das tun wir auch fortwährend. Wir strangulieren sie an Halsbändern, rucken hart an der Leine, wie schreien sie an, Werfen mit Gegenständen. Wir tun ihnen weh und machen ihnen Angst. Tag für Tag.
Und sie wächst, die Angst, Tag für Tag. Bis sie irgendwann nicht mehr ausgehalten wird und der Hund zuschnappt. Ein verzweifelter Versuch den Gegner einzuschüchtern, nicht um ihn zu verletzen! Nichts anderes. Eine Situation, die fast immer durch Menschen provoziert wurde. Nicht unbedingt durch den, den es trifft. Eine Situation, in der ein Hund so tief in seiner Angst ist, dass er sich mit einem so überlegenen Gegner wie einem Menschen anlegt. Selbst der große starke Wolf geht dem Menschen aus dem Weg, weil er ihn für überlegen hält.Aber das sehen wir nicht. Das hinterfragen wir nicht. Das verstehen wir nicht. Wir sind nur maßlos enttäuscht und oder maßlos wütend auf den Hund. Meist endet hier der gemeinsame Weg. Und nicht selten ist diese REaktion des Hundes auf die Bedrohung durch den Menschen auch gleichzeitig sein Todesurteil.
Gewalt schafft Angst und Angst ist keine gute Basis. Nicht für eine Beziehung und nicht für ein Training. Angst blockiert. Angst verursacht Verteidigungsverhalten.
GEWALT, OB SCHREIEN ODER SCHNAUZEN, OB RUCKEN, WERFEN ODER SCHLAGEN, SIE FÜHRT IMMER ZU MISSTRAUEN UND ANGST. Natürlich gibt es auch Hunde, die schnappen, weil sie einen Knochen oder etwas anderes vermeintlich wertvolles verteidigen, aber das ist die Ausnahme. Häufig habe ich erlebt, dass ein Schnappen als Ressourcenverteidigung interpretiert wurde, obwohl es doch nur Verteidigungsverhalten war.
Erziehen Sie Ihren Hund freundlich, verständlich und konsequent. Angst blockiert und macht ein Training unmöglich. Und Angst kann einen Hund gefährlich machen, weil reaktiv Verteidigungsverhalten gezeigt werden könnte. Wenn Ihr Hund geschnappt hat, war es sehr wahrscheinlich als REaktion auf eine beängstigende Situation. Schnappen ist der Versuch den Gegner einzuschüchtern, um einen Kampf zu vermeiden. Es war NICHT die Absicht des Hundes verletzen zu wollen. Wollte der Hund sie verletzen, würde er sie BEISSEN. Ein Biss führt zu großflächigen Verletzungen, bei denen nicht selten Fleisch herausgerissen wird. Beißen wird mit der Absicht ausgeführt, zu beschädigen oder gar zu töten.
Ich verstehe Menschen, wenn sie sich plötzlich vor ihrem Hund fürchten, wenn sie ihm nicht vertrauen. Mein Bemühen wird es jedoch immer sein, diesen Riss wieder so gut es geht zu flicken, vielleicht sogar zu heilen.
Verstehen ist immer der Anfang.
Und bei all dem dürfen wir auch eines nicht vergessen: Gemessen an der Gewalt, der Hunde täglich durch Leinenrucken, Anschreien, Erschrecken oder Schlimmeres ausgesetzt sind, ist die Anzahl der Hunde, die Menschen weh tun, doch sehr gering.
52. Hundebeschreibungen sind selten zutreffend
Ich habe schon oft erlebt, dass ein Hund wieder an eine Tierschutzorganisation oder einen Züchter zurückgegeben wurde, weil die Beschreibungen zu dem Hund und/oder die Erwartungen an ihn nicht erfüllt wurden. Erwartungen zu wecken ist somit immer riskant. Und genauso gefährlich ist es, Erwartungen zu haben. Je detailreicher unsere Vorstellungen und Wünsche an etwas, desto höher ist das Risiko enttäuscht zu werden. Doch die große Gefahr einer regelrecht vorprogrammierten Enttäuschung - mit all seinen hässlichen Gesichtern - ist wahrscheinlich demjenigen gar nicht bewusst, wenn er einen Hund schlicht falsch beschreibt.
Wohlmöglich würden wir uns auch ohne Erwartungen gar nicht erst für einen Hund entscheiden. Es ist also völlig in Ordnung Erwartungen zu haben, aber diese sollten bewusst immer recht vage gehalten werden. Letztlich ist die Entscheidung für einen Hund ein Blinddate, nur mit dem Unterschied, das es hier nicht nur um ein paar gemeinsame Stunden geht, sondern hoffentlich um etliche gemeinsame (und glückliche) Jahre. Die Beschreibungen, die von Tierheim- oder Tierschutzmitarbeitern, Pflegestellen, Züchtern oder oder oder den Hunden verpasst werden, sind de facto selten richtig. Und häufig nicht einmal annähernd zutreffend. Das hat viele Gründe, böse Absicht würde ich hier niemanden unterstellen.Ich glaube auch, dass oftmals nach besten Wissen und Gewissen das Wesen der Hunde beschrieben und ihr Alter angegeben wird. Nur machen sich ganz offensichtlich viel zu wenige darüber Gedanken, welch verheerenden Auswirkungen es haben kann, wenn ein Hund, als freundlich, verträglich mit Katzen, Kinderlieb -und weiß der Himmel was noch alles- beschrieben wird, wenn es der Hund letztlich gar nicht leisten kann. Denn der künftige Adoptant hat sich wohlmöglich auch aufgrund der wohlklingenden Beschreibung auf der Internetseite Hals über Kopf in den Hund verliebt.
Es überleben leider die wenigsten Hund-Mensch-Beziehungen, wenn nach der Eingewöhnungszeit der Hund langsam auftaut und zeigt, dass er tatsächlich Katzen sehr gerne mag, aber nur, wenn er sie vor sich herjagen darf etc. Der Mensch fühlt sich (zu recht) betrogen und der Hund wird abgeschafft und lernt einmal mehr, dass er sich auf Menschen nicht einlassen sollte und ihnen auch nicht vertrauen darf. Mein Wunsch wäre es, dass die Menschen aufhörten etwas über einen Hund auszusagen, wenn sie es nicht mit Sicherheit sagen können. Das Problem aber an der Sache wird wohl sein, dass jeder, der in der Vergangenheit Hunde beschrieben hat, auch sicher war, es richtig eingeschätzt zu haben. Daher wird das wohl ein frommer Wunsch bleiben.Aber ein Anfang wäre gemacht, wenn Tierschutzseiten nur solche Angaben machen würden, die wirklich und wahrhaftig sind, wie Größe, Alter und ggf. Vorgeschichte.Das Alter ist in vielen Fällen nur eine (vage) Schätzung, was den Haltern jedoch oftmals kaum bewusst ist. Problematisch dabei ist, dass auch kein Tierarzt eine sichere Einschätzung abgeben kann, zumindest nicht, so lange er diese Einschätzung aufgrund von Äußerlichkeiten vornimmt.
Alterungsprozesse wie Zahnabnutzung, Fellverfärbung, Bewegungsabläufe usw. sind individuell und können nicht zur Altersbestimmung herangezogen werden. Auffällig ist, dass die meisten Hunde aus dem Tierschutz 1-2 Jahre sein sollen. Ich habe hier meine Zweifel. Spielt hier möglicherweise der weitverbreitete Wunsch nach einem jungen Hund eine Rolle? Und selbst wenn es so wäre, könnte man es den Organisationen wirklich übel nehmen? Alles was diese Menschen tun ist einzig dem Wunsch geschuldet, eine verlorene Seele zu retten. All diese Menschen im Tierschutz wünschen sich nur, dass diese Hunde noch einmal etwas anderes kennenlernen als Hunger, Durst, Kälte, Hitze, Angst, Verzweiflung und Gitterstäbe. Ich habe großen Respekt vor diesen helfenden Menschen, die sich bemühen die Welt ein klein wenig besser zu machen, in dem sie einer verzweifelten Seele das ermöglichen, wonach wir uns alle sehnen: Ein Leben.Aber ist es gefährlich, einen Hund als jung zu verkaufen, obwohl ihm möglicherweise schon aufgrund seines fortgeschrittenen Alters die Knochen weh tun. Ältere Hunde brauchen auf eine besondere Art unsere Hilfe und Unterstützung. Ich hatte einmal einen Fall, in dem ein sehr großer Hund von seinem Halter als faul eingeschätzt und entsprechend getrietzt wurde. Man hatte ihm den Hund als 1 max. 2 jährig verkauft. Der Hund wurde immer wieder von seinem Halter gestresst und zu Leistungen gezwungen, zu denen er nur noch unter Schmerzen in der Lage war.
Als der Halter dann einen Tierarzt aufsuchte, da ihm Zweifel kamen, bekräftigte dieser fatalerweise das junge Alter des Hundes.Große Hunde altern sehr viel schneller, teilweise werden sie nur 6 Jahre alt. Somit ist jede Zucht in diese Richtung m.E. auch verantwortungslos.
Meine Bitte: Bleiben Sie was Altersangaben betrifft skeptisch und halten Sie es für möglich, dass Ihr Hund älter (vielleicht sogar viel älter) sein könnte.
Auch lese und höre ich immer wieder von den vermittelnden Stellen, dass zu dem Besuch einer Hundeschule geraten wird, was ich – vorsichtig formuliert – für unangebracht halte. Leider wird in kaum einer Hundeschule Individualität berücksichtig. Und Hunde werden häufig in Hundeschulen mit Gewalt trainiert (Leinenruck, Runterdrücken, Schmerzzuführungen, Anbrüllen etc etc etc) was nicht selten dazu führt, dass weitere Verhaltensauffälligkeiten geschaffen werden, wie Schreckhaftigkeit, Vertrauensverlust und Angstaggressionen usw. und das alles ohne dass die ursächlichen Probleme behoben werden konnten. Wenn Sie Hilfe brauchen, suchen Sie sich einen Therapeuten/Trainer der individuell mit Ihnen und Ihrem Hund arbeitet. Ob ein Trainer gut ist erkennen Sie u. an. daran, dass gänzlich ohne psychischer / physischer Gewalt arbeitet und daran, dass sich das Verhalten Ihres Hundes entsprechend verändert. Und das selbstverständlich innerhalb einer angemessenen Frist, d.h. wenn Sie nach 2-3 Wochen keine (wenn auch kleine) Veränderung bei Ihrem Hund sehen, ist das Training wahrscheinlich nicht das richtige.
Mit unseren Beziehungen zu unseren Hunden ist es wie mit unseren Beziehungen zu Menschen: Wir dürfen unsere Erwartungen nicht zu hochstecken. Aber genau das ist häufig das eigentliche Problem: Die Menschen haben Erwartungen an ihre Hunde, die sie selbst nicht zu leisten imstande wären!
53. Freilaufende Hunde
Es gibt unzählige Hunde, die aus vielerlei Gründen ängstlich in der Begegnung mit Artgenossen sind. Warum das so ist und was zu derartigen Ängsten führt soll hier nicht das Thema sein, denn dazu habe ich bereits mehrfach etwas in anderen Artikeln geschrieben.
Einem Hund zu helfen diese Ängste abzubauen ist durchaus möglich und absolut angeraten. Nicht nur, weil Angst das Leben schnell zur Hölle macht, sondern weil Angst einen Hund im Lernen weitestgehend blockiert. Und weil Angst, je öfter sie empfunden wird, mehr und mehr zur Persönlichkeit wird.
Das Problem an der Sache ist: Angst baut sich nicht ab, wenn Angst empfunden wird, d.h. jedes Mal, wenn ein freilaufender Hund schnell (und viel zu nah) herankommt, verstärkt sich die Angst. Ein angeleinter Hund, der sich derart bedroht fühlt wird in der Regel Verteidigungsverhalten zeigen und der dazugehörige Hundehalter kann rein gar nichts dagegen tun (Ausnahme kleine Hunde ;)).
Mit anderen Worten: Solche Ängste bauen sich mit jedem freilaufenden Hund auf, der sich zu schnell nähert, auch wenn dieser nichts Böses im Schilde führt. Und die Verantwortung, dass ängstliche Hunde dadurch immer ängstlicher werden, trägt einzig der Halter des unangeleinten Hundes!
Mit diesem Text möchte ich all den Hundehaltern ins Gewissen reden, die ihren Hund grundsätzlich ohne Leine führen und Überzeugungen wie:
• das machen die unter sich aus
• der tut nix
• ist nicht mein Problem
oder oder… zum Besten geben.
Ich werde jetzt auch nicht auf jede dieser Aussagen eingehen, obwohl es wahrlich zu jeder dieser Rechtfertigung einiges zu erwidern gäbe. Ich möchte einzig darauf hinweisen, wie unfair und gedankenlos so ein Verhalten ist!
Wir wissen (fast) nie, WARUM der Hund, der uns entgegen kommt, an der Leine geführt wird. Vielleicht ist er blind, vielleicht operiert oder verletzt, vielleicht ist er noch nicht lange in seiner Familie, vielleicht ist er angstgestört bzw. angstaggressiv. Oder eben ein Hund, der gerade lernen soll angstfrei an einem anderen Hund vorbei zu gehen. Es gibt unzählige Gründe, die eine Leinenführung sinnvoll oder gar notwendig machen. Leider ist das Sozialverhalten von Hundehaltern nicht immer das Beste, dabei gibt es eine ganz einfache, faire Regel:
Ist oder wird ein Hund in der Begegnung angeleint, sollte der andere Hund auch an die Leine.
Wenn man sich dann angenähert hat kann man sich untereinander verständigen und ggf. einen leinenfreien Kontakt absprechen. Das nennt man einen fairen und freundlichen Umgang. Bei Hunden nennen wir das Sozialverhalten ;)
Und noch etwas könnte unser menschliches Miteinander erheblich verbessern: Bevor wir uns eine Meinung bilden, ob sie nun den Menschen oder den Hund betrifft, der uns da entgegen kommt, sollten wir uns nach dem WARUM erkundigen. Wenn das in der Situation nicht möglich ist, sollten wir uns an die obige Regel halten und zusätzlich eine Be- bzw. Verurteilung unterlassen.
Stellen Sie sich vor, wir würden uns alle an diese kleinen Regeln halten, es gäbe keine hässlichen Begegnungen mehr unter Unseresgleichen…
54. Das schwere Los des „Nachfolgers“
Auf den Verlust eines geliebten Hundes reagieren wir ganz unterschiedlich.Die einen sehen immer und immer wieder Fotos an, bringen Poster des geliebten Hundes an oder errichten eine Art Schrein.Andere stürzen sich in die Arbeit, verreisen oder begraben ihren Schmerz unter sonstigem Aktionismus.
Und wieder Andere beweinen und betrauern den Hund, bis der Schmerz über den Verlust langsam nachlässt. Irgendwann dann folgt oft der Entschluss einen neuen Hund aufzunehmen. Und fast immer hat der „Nachfolger“ ein wahrlich schweres Los. Einen Mangel sozusagen: ER ist nicht der alte Hund.
Er benimmt sich nicht, wie der alte Hund. Er hört nicht so gut, wie der alte Hund. Er ist nicht so klug, wie der alte Hund. Er sieht weder aus wie der verstorbene, geliebte Hund, noch fühlt er sich so an oder riecht wie er. Welchen Vergleich wir auch immer anstellen, der Neue kann nicht punkten. Und welchen Vergleich wir auch immer anstellen: Der Vergleich an sich ist schon unfair. Es scheint fast unmöglich, den Nachfolger wirklich in unserem Herzen ankommen zu lassen.
Die Anforderungen, die wir an ihn stellen kann er nicht erfüllen. Nicht dieser Hund und auch kein anderer auf dieser Welt. Die Lücke, die der geliebte Hund hinterlassen hat, wird immer bleiben. Liebe ist nun mal nicht beliebig. Training ist Kommunikation. Und diese ist ohnehin oft eine verhängnisvolle Mischung aus Missverständnissen und irrigen Mutmaßungen. Unser ganzer Umgang mit Hunden - und somit auch der Erfolg unseres Trainings - hängt tatsächlich auch entscheidend davon ab, was wir für das Tier empfinden. Einen Hund, den wir wirklich lieben, werden wir viel besser trainieren können, als einen Hund, den wir nur vorgeben zu lieben. Aufrichtige Liebe ist eine grundsätzliche Voraussetzung für eine funktionierende Kommunikation. Je weniger für den Hund fühlen, desto häufiger werden wir sein Verhalten – zu seinen Ungunsten- fehlinterpretieren.
Das bekommt der Nachfolger oft deutlich zu spüren. Diesen Teufelskreis, in dem wir den Hund gefangen halten kann er mit eigener Kraft nicht entkommen, so sehr er sich auch bemüht. Diesen Teufelskreis können nur wir Menschen auflösen! Solche Gefühle sind zwar vielen von uns bekannt, aber oftmals nicht bewusst. Leider lassen sich derartige Gefühle nicht mit dem Verstand korrigieren. Aber wir sollten uns solcher Denk-und-Fühl-Muster bewusst sein.
Nur so können wir dem Nachfolger eine faire Chance geben. Nur so ist es uns möglich überhaupt fair mit dem Neuling umzugehen. Liebe und Sympathie ist etwas, das wachsen muss. Was Zeit braucht. Das ist auch völlig okay. Wenn wir uns dieser Zusammenhänge bewusst sind, können wir grobe Fehler im Umgang mit dem Nachfolger vermeiden und eine Basis schaffen, auf der wir aufbauen und zusammenwachsen können.
Jedes Lebewesen hat ein Recht auf Liebe um seiner selbst willen. Und jedes Lebewesen will geliebt sein.
55. Wahnsinn ist,
immer das Gleiche zu tun und zu erwarten, dass ein anderes Ergebnis dabei heraus kommt. (Albert Einstein)Diese Aussage lässt uns vielleicht schmunzeln und wird wahrscheinlich von (fast) allen verstanden. Und trotzdem scheint es uns nicht möglich zu sein, diesem Wahnsinn abzuschwören.
Er ist uns womöglich nicht einmal bewusst. Und wenn er uns bewusst wird, wird es schwer, ihn uns einzugestehen. Tragischerweise sind es unsere Hunde, die unter dieser besonderen Art menschlichen Wahnsinns zu leiden haben. Unsere Köpfe sind zum Bersten voll mit den immer gleichen Überzeugungen, die uns im Umgang mit unseren Hunden ganz offensichtlich nicht hilfreich sind- im Gegenteil. Und doch klammern wir uns an all diese Dogmen, als wären sie der letzte Strohhalm, der uns von dem endgültigen Ertrinken rettet.
Wir reißen an der Leine, schüchtern den Hund auf jede erdenkliche Art ein. Wir tun ihm weh, wir entziehen sein Essen und sein Trinken. Wir quälen ihn mit tagelanger Missachtung. Sperren ihn in enge Käfige. Wir zwingen die Hunde wieder und wieder in angsteinflößende Situationen und schnüren ihnen gleichzeitig die Luft ab. Und all das tun wir in der Hoffnung, dass sie fortan mehr Angst vor uns haben, als vor den Außenreizen. Wenn wir das geschafft haben, haben wir einen fügsamen Hund.
Fügsam, unglücklich und im Grunde noch ängstlicher. Haben wir das wirklich jemals so gewollt? Bitte seien Sie kritisch, wenn es um Ihren Hund geht. Bitte üben Sie sich in einer gesunden Skepsis und hören Sie auf Ihr Gefühl. Nur weil etwas fast überall zu lesen ist, überall zu hören ist…. ist es noch lange nicht richtig. Wir Menschen geben nur allzu leicht Gehörtes bzw. Gelesenes. ungeprüft weiter. Doch im Hinblick auf unsere Hunde dürfen wir das nicht länger tun, denn sie sind es, die darunter zu leiden haben. Verabschieden Sie sich von Standards wie „Angst muss man ignorieren“, der Rudelführertheorie und der Dominanz durch die Hunde. Das alles ist schlicht Unsinn.
Schauen Sie genau hin, überlegen Sie gut, hinterfragen Sie alles. Seien Sie offen, wenn jemand – wie ich – neue Wege mit Ihnen und Ihrem Hund gehen möchte. Hundeverhalten ist keine Wissenschaft, deren Rätsel wir nicht lösen können. Ob ein Training richtig ist, für Mensch und Hund, ist überprüfbar! Wenn Sie schon zig Mal an der Leine geruckt haben, den Kehlkopf und die Wirbelsäule Ihres Hundes schon mehrfach gestaucht haben, und der Hund sein Verhalten immer noch nicht geändert, dann ist es Wahnsinn zu glauben, dass man es nur noch öfter wiederholen muss, bis ein anderes Ergebnis dabei heraus kommt.
Mein Bemühen ist es, Ihnen und Ihrem Hund neue Wege aufzuzeigen, die das Verhalten Ihres Hundes verändern, ohne ihn dabei einzuschüchtern. Mein Bemühen ist es, dass Sie verstehen, warum sich Ihr Hund so oder so verhält. Und mein Bemühen ist es, dass Sie lernen für Ihren Hund verständlich zu werden.Mehr braucht es nicht.
56. Deprivation
Deprivation ist verbreiteter, als man glaubt und in den unterschiedlichsten Ausprägungen anzutreffen. Es handelt sich dabei jedoch nicht um ein typisches Tierschutzhund-Handicap. Die Bezeichnung Deprivation bedeutet Mangel bzw. Entzug. In der Verhaltensforschung/Neurobiologie spricht man von Deprivationsschäden bzw. Deprivationssyndrom.
Deprivierte Hunde sind in ihrer geistigen Entwicklung zurück, da sie in ihrer Welpenzeit (und oft noch darüber hinaus) mehr oder weniger reizarm aufgewachsen sind.(z.B. Zwingerhunde, typische „Züchter-Überbleibsel-Hunde“, Hunde aus Tötungsstationen oder Shelter, Hunde aus Stall- , Wohnungs- oder Kellerhaltung etc. etc. etc.).
Ein Gehirn wächst mit seinen Aufgaben, dementsprechend sind die Gehirne dieser Hunde nicht so entwickelt, wie sie sein sollten. In der Hirnforschung besteht keine übereinstimmende Meinung darüber, ob diese unzureichende Entwicklung des Gehirns irreversibel (unumkehrbar) ist, oder nicht.
Deprivierte Hunde hatten keine Chance Umweltfaktoren (akustische, optische, olfaktorische) kennenzulernen und als ungefährlich einzustufen. Darüber hinaus fehlten deprivierten Hunden Sozialkontakte mit fremden Menschen, Hunden, anderen Tieren. Somit kann der Kontakt mit all diesen unbekannten Außenreizen und /oder anderen Lebewesen auch nur als äußerst beängstigend empfunden werden. Fluchtverhalten oder Angstaggression sind die häufigsten Reaktionen.
Auch Apathie kann als Reaktion gezeigt werden, ist jedoch weitaus seltener. Deprivation ist immer individuell ausgeprägt und wird daher auch individuelle Verhaltensauffälligkeiten zur Folge haben. In Fällen, in denen Hunde massivem Reizmangel ausgesetzt waren, spricht man von dem sogenannten Deprivationssyndrom. Bei Hunden, die nur wenige Reize kennengelernt haben, z.B. nur im Garten gehalten wurden, spricht man dagegen eher von Deprivationsschäden. Aber letztlich ist die Ausprägung immer individuell. (Zwei Hunde können das gleiche Martyrium durchgemacht haben und dennoch unterschiedlich entwickelte Gehirne haben und unterschiedliches Verhalten zeigen.)
Die Auswirkungen von Deprivation sind vielfältig:
Wenn die früheren Lebensumstände des Hundes unbekannt sind, kann wahrscheinlich nicht zweifelsfrei geklärt werden, ob die Verhaltensauffälligkeiten eines Hundes aufgrund von Deprivation gezeigt werden. Ich würde von einer Deprivation ausgehen, wenn sich ein Verhalten auch nach längerer, angemessener Zeit (Wochen oder Monaten) trotz sorgfältigster Desensibilisation, kaum oder gar nicht verändert hat.
Es gibt viele haltlose Prognosen und Mythen, die sich um dieses Thema ranken. Aufgrund meiner Erfahrung behaupte ich, dass generell eine Verbesserung des Lebensgefühls der Hunde möglich ist, wenn die fehlenden Umweltreize und/ oder die fehlenden sozialen Reize (Begegnungen) in entsprechend kleinen Portionen nachträglich so präsentiert werden, dass sie als ungefährlich eingestuft werden können. Wichtig für den Erfolg sind viele kleine Schritte, sprich eine sehr vorsichtige Annäherung an die jeweiligen Reize.
Eine hohe Wiederholungsrate mit minimaler Steigerung der Reizintensität garantiert somit den größtmöglichen Erfolg. Rituale die das Leben einschätzbar machen sind dabei unverzichtbar. Diese Hunde fallen bei den kleinsten Veränderungen im Tagesablauf schnell in tiefe Angst und Verzweiflung. Ein Beispiel: Ein Hund hat Angst vor Menschen, weil er lange Zeit nur Kontakt mit einer einzigen Person hatte (und dieser Kontakt war womöglich noch gewaltvoll).Dieser Hund braucht geduldige Menschen, die erst einmal NICHTS von dem Hund erwarten, die NICHT auf ihn zugehen, NICHT nach ihm greifen und schon gar NICHT mit ihm rausgehen oder ständig Besuch empfangen. Dieser Hund braucht die Möglichkeit einen Rückzugsort auszuwählen (unter der Eckbank, dem Sofa, unter dem Bett etc.)
Der Hund muss selbst entscheiden dürfen, wann er sich traut, diesen vermeintlich sicheren Ort zu verlassen. Dieser Hund wird beobachten, hinhören und alles und jeden genau studieren, um herauszufinden, wer oder was (bzw. ob überhaupt irgendetwas oder irgendwer) gefährlich ist. Manchmal dauert dieses „Studium“ Stunden(ehr die Ausnahme), manchmal Tage oder Wochen. Diese Hunde kommen anfangs nur dann aus ihrem Versteck, wenn alle schlafen. In der Nacht fressen und trinken sie und verrichten ihr Geschäft. Ich habe einen solchen Hund kennengelernt, der mehrere Wochen hinter einem Sofa zugebracht hat. Dieser Hund wurde nicht bedrängt, nichts wurde erwartet, er durfte einfach in Ruhe ankommen. Es dauerte, aber er kam in seinem neuen, liebevollen Zuhause an. Alles was er lernen musste, durfte er in seiner Geschwindigkeit lernen. Dieser Hund ist heute ein fröhlicher Hund, der Spazierengehen genießt und der nur noch in wenigen Situationen Überforderung zeigt. Begegnung mit Menschen, kann er Mithilfe seiner Menschen bestens meistern. Von Fremden möchte er bis heute nicht angefasst werden, aber es reicht ihm völlig, wenn er zu den Menschen den für ihn notwendigen und individuellen Abstand halten kann (z. B. durch Bogenlaufen).
Fazit: Je kleiner die Trainingsschritte, je kleiner die jeweilige Dosis oder das Quantum des angstauslösenden Reizes, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Angst davor verringert werden kann
57. Ein Hund zieht ein
Wenn Sie einen Hund aufnehmen, egal ob aus dem Tierschutz, vom Züchter oder vom Nachbarn, lassen Sie ihm bitte erst einmal Zeit anzukommen. Zeit, die neuen Menschen zu beobachten, um einschätzen zu können, ob sie gefährlich oder freundlich sind.Zeit, seine neue Umgebung zu überprüfen, ob Gefahren lauern, welche Möglichkeiten der Integration bestehen. Oder schlicht, wie die Dinge laufen.
• Zeit, falls es weitere tierische Bewohner gibt, diese kennenzulernen und einschätzen zu können
• Zeit, sich an Abläufe, Geräusche, Gerüche und vor allem an Berührungen zu gewöhnen.
Erst wenn ihr Hund angekommen ist, sich einigermaßen sicher fühlt, können Sie mit Ihrem Hund anfangen das eine oder andere zu üben (sitz., platz, aus pfui ist noch völlig unwichtig in dieser Phase!) Vielmehr ist das Einüben von Ritualen wie Brustgeschirr anziehen, „Geschäfte verrichten“, Füttern etc. gemeint. Rituale sind enorm hilfreich und ermöglichen die schnellst möglichen Erfolge! (Mehr dazu auf www.hun-d-gerecht.com.)Diese Phase des Ankommens kann – je nach Hund- Tage, Wochen ja sogar Monate dauern.
Hunde, die schwersttraumatisiert sind, brauchen manchmal Jahre, um ein einigermaßen „normales Leben“ zu führen. Und bei einigen Hunden stellt sich dieses Gefühl der Sicherheit auch gar nicht mehr ein. Diese Hunde sollten einfach nur liebevoll durch den Tag gebracht werden. Von ihnen sollten wir nichts verlangen und ihr Leben so gestalten, dass sie die bestmögliche Restle-benszeit haben. Nur so können wir weitestgehend sicherstellen, dass wir den Hund mit seinem Einzug bei uns nicht gleich in Angst und Schrecken versetzen. Nur so legen wir den Grundstein für das best-mögliche Zusammenleben.
Wichtig: Wir können anfangs kaum zu wenig, aber ganz schnell zu viel machen!
In der Realität allerdings wird kaum ein Hund so behutsam in sein neues Leben eingeführt. Stattdessen werden die Hunde gleich mitten in das neue Leben regelrecht hinein katapultiert. Heute angekommen, im Anschluss spazieren gehen durch die (belebten) Straßen, morgen geht’s zum Einkaufen, anschließend Kaffeklatsch mit den Nachbarn und ihren Kindern. Ich habe Fälle erlebt, wo sich die Hunde vor lauter Angst im Garten eingegraben haben und die Kinder den Hund dort zitternd eine neue Frisur verpasst haben. Das Problem liegt darin, dass wir mit der Adoption eines Hundes oft UNSERE Bedürfnisse bedienen. Über die des Hundes, der in dieser Phase sich nichts anderes wünscht, als in Sicherheit zu sein, denken wir nicht nach. Bitte machen Sie das nicht! Angst ist ein individuelles Gefühl.
Angstabbau ein individueller Prozess. Das kennen wir doch von uns selbst. Wichtig ist, dass wir begreifen, dass jedes Individuum seine eigenen Wege sucht, den Ängsten zu begegnen. Und dieser Weg ist lang oder kurz. Eine Abkürzung gibt es nicht. Wir können aber dem Hund dabei helfen, indem wir ihn dosiert an die angstauslösenden Reize- in angemessener Art und Weise (Distanz, Häufigkeit etc)- heran führen.Mit Erwartungen oder gar Forderungen sollten wir uns zurückhalten. Für einen (Angst)-Hund braucht man sehr viel Geduld.
Eine neue Beziehung durchläuft immer mehrere Phasen.
1. Phase ANKOMMEN
Der Hund darf in seiner Geschwindigkeit das neue Leben und seine neuen Mitbewohner kennenlernen. Er darf sich nähern, er darf sich zu-rückziehen. Von ihm wird nichts gefordert, er darf einfach sein. Er wird nur angefasst, wenn er es einfordert. Seine Angst ist der Maßstab, in welcher Geschwindigkeit und in welcher Form neue Eindrücke und Erfahrungen gemacht wer-den. Evtl. erst einmal nur auf dem eigenen Grundstück bleiben. Stubenreinheit stellt sich in der Regel von ganz alleine ein.
2. Phase ANGSTABBAU/VERTRAUENSAUFBAU
Hierzu finden Sie detaillierte Tipps auf meiner Seite www.hund-gerecht.com.
3. Phase TRAINING
Bedenken Sie bitte, dass viele Hunde, bevor sie bei uns eingezogen sind, niemals angeleint waren. An einen Menschen festgebunden zu sein, dem der Hund noch nicht vertraut, kann als extrem beängstigend empfunden werden. Wenn der Hund dann noch festgebunden mit all den Außenreizen konfrontiert wird, welche er möglicherweise in der Vergangenheit schon gefürchtet hat (Menschen, Autos, Zweiräder, andere Hunde, Geräusche, Gerüche etc.) endet das schnell in einer Katastrophe. Für Hund und Mensch.
Lassen Sie es LANGSAM angehen! Gehen Sie nicht gleich durch die belebten Straßen. Gehen Sie nicht gleich große Runden. Gehen Sie nur so weit, wie es für Ihren Hund angenehm ist. Ziehen an der Leine, Hecheln, häufiges stehen bleiben etc. sind oft Hinweise für Stress. Beobachten Sie Ihren Hund genau, achten Sie auf Stresssignale, Körperhaltung (in erster Linie Kopfhöhe, Schwanzhöhe, Beschwichtigungssignale, Muskelspannung, häufiges Schütteln, Blick, Herzschlag).
Üben Sie ggf. Ausweichen, Ruhephasen draußen und etablieren Sie auch draußen Rituale, wie z.B. bei Straßenkreuzungen erst einmal stehen bleiben, orientieren/checken lassen. (Das Sitzenlassen bevor es über die Straße geht macht keinen Sinn, weil der Hund auch nach jahrelangem Training dieses Verhalten von sich aus nicht zeigen wird). Üben Sie stattdessen den Hund je nach Gegebenheit mal links und mal rechts zu führen. Und vor allem: Trainieren Sie keine Leinenführigkeit, wenn der Hund zieht, weil er Stress hat!!! (Stress ist der Hauptgrund fürs Ziehen!) Sollte der Hund Stressziehen zeigen, Spazierengehen deutlich verkürzen, ruhigere Wege etc…(oder mich rufen ;))
Üben Sie stattdessen HALT oder UMDREHEN, üben Sie Konfrontation durch ausreichende Distanz. Üben Sie sich darin, Ihrem Hund adäquat zur Seite zu stehen und seine Körpersprache zu studieren. Und üben Sie sich auch in der Beobachtung der entgegenkommenden Hunde, den auf diese wird ihr Hund individuell RE-agieren. Entgegenkommende Hunde zeigen über die Distanz ihre Gestimmtheit, dass kann Unterwürfigkeit, Interesse am Kennenlernen oder gar eine Kampfansage sein.
Auf meiner Seite finden Sie detaillierte Hinweise, wie Hunde lernen, wie optimales Lernen statt-finden kann und welche Fehler häufig gemacht werden.
Die Einhaltung dieser Schritte erleichtert nicht nur Ihren Hund das Leben, sondern ist auch der Garant dafür, dass das Zusammenleben mit Ihrem Hund so angenehm und bereichernd wie möglich wird.
58. Eines der wichtigsten Wörter,
die wir uns stellen sollten, ist das Wort: WARUM. Wir reagieren ständig auf unsere Umwelt, auf Menschen und im Besonderen auf Tiere, ohne uns mit dieser überaus wichtigen Frage auseinanderzusetzen: WARUM.
In meiner Arbeit mit Hunden stelle ich immer wieder die Frage WARUM. Warum zieht der Hund an der Leine (und wahrlich es gibt viele verschiedene Antworten darauf, die ein individuelles Training voraussetzen). Warum zeigt der Hund Angst- oder Aggressionsverhalten, warum macht er in die Wohnung, warum bellt er, warum reagiert er nicht, wie wir es wollen etc. etc. etc. Aber die Mehrheit agiert und wirkt ein ohne verstanden zu haben, WARUM der Hund sich so verhält. Und genau aus diesem Grund sind die Ergebnisse am Ende auch oft nicht zufriedenstellend. Mehr noch, weil wir uns nicht diese überaus wichtige Frage WARUM gestellt haben, ist es fast immer der Hund, der zu leiden hat.
Warum aber stellen wir uns so selten die Frage nach dem WARUM? Weil wir meinen die Antwort zu kennen? Wahrscheinlich. Aber leider interpretieren Menschen das Verhalten oft falsch. Sie gehen in vielen Fällen von (böser) Absicht oder Ungehorsam aus. Eine Interpretation, die ich noch nie bestätigen konnte.Der zweite Grund, warum wir diese wichtige Frage so selten stellen ist ganz einfach Desinteresse. Menschen haben nicht das Interesse ihren Hund zu verstehen, sie haben nur das Interesse, das Zusammenleben so zu gestalten, wie es für sie angenehm ist. Und das nennen wir Liebe.
Der körperlich Unterlegene, also der Hund wird den Menschen immer mehr studieren. Hunde versuchen zu verstehen und Zusammenhänge zu begreifen, da es ihre einzige Möglichkeit ist, gut mit dem anderen Wesen MENSCH zurecht zukommen. Sie MÜSSEN verstehen, damit sie sich nicht in Gefahr bringen (Bestrafungen und Bedrohung durch den Menschen). Wir dagegen müssen nicht zwingend verstehen, wir sind körperlich überlegen und können die Hunde allein durch unsere Dominanz in Schach halten und weitestgehend kontrollieren.
Ich glaube dennoch, dass nicht zwingend mangelnde Liebe der Grund ist, dass wir uns so selten mit dem WARUM beschäftigen. Es ist wohl eher Gedankenlosigkeit und Unwissenheit.
Mein Credo lautet also: Bevor wir auf den Hund einwirken, auf ihn re-agieren, sollten wir immer verstanden haben, WARUM er sich so verhält. Erst dann sind wir in der Lage adäquat darauf zu re-agieren. Erst dann können wir faire Partner werden.
Verstehen ist der Anfang, Verständigung das Ziel.
59. Eifersucht
ist ein Gefühl, dass sehr belastend und schwer auszuhalten ist. Ein Gefühl, dass uns Menschen oft zu unschönen Reaktionen veranlasst. Aber sie ist auch ein Gefühl unter dem Hunde zu leiden haben. Manche Hunde ertragen es kaum, wenn sie plötzlich ihren geliebten Menschen mit einem weiteren Menschen teilen müssen, oder einem weiteren Hund. Es gibt Menschen, die es für unmöglich halten, dass Hunde unter Eifersucht leiden können, aber sie irren sich. Hunde kennen wahrscheinlich jedes Gefühl, das uns Menschen bekannt ist.
Wichtig ist, dass wir verstehen, dass Eifersucht nicht abzutrainieren ist. Wir können lediglich adäquat damit umgehen. Und das sollten wir auch unbedingt, um den Hund dieses quälende Gefühl zu ersparen und um das Miteinander harmonischer zu gestalten.
Im Grunde wissen wir alle, was wir selbst brauchen, wenn uns die Eifersucht quält. Wir alle wissen, wie sich die Dinge ändern müssen, damit wir dieses schreckliche Gefühl endlich loswerden. Und einige von Ihnen werden wissen, dass selbst hunderte von guten Ratschlägen und zahlreiche Therapiestunden, uns nicht das fehlende Selbstbewusstsein bescheren, das nötig wäre, um aus dem Eifersuchtsdrama auszusteigen. Bei Hunden verhält es sich ganz genauso. Mit dem Unterschied jedoch, dass wir die Eifersucht nicht erkennen oder leugnen. Oder mit dem Unterschied, dass wir meinen es ihnen austreiben zu können, weil es ja nun mal „nur“ Hunde/Tiere sind. Wieder einmal erwarten wir etwas von den Hunden, was wir oft selbst nicht leisten können.
Ich möchte hier zwei Gründe von Eifersucht behandeln: Die Eifersucht auf einen neuen Partner oder Freund und die Eifersucht auf einen weiteren Hund
Eifersucht auf einen Menschen
Im Grunde ist es ganz leicht: Denken Sie daran, was Sie brauchten, wenn Sie plötzlich nur noch die zweite Geige spielen. Schenken Sie Ihrem Hund so viel Aufmerksamkeit wie möglich. Berühren Sie ihn zärtlich, wenn er die Nähe des „Eindringlings“ zu Ihnen schwer aushalten kann, während Sie die andere Person berühren. Sprechen Sie Ihren Hund immer wieder an, schenken Sie ihm Aufmerksamkeit, während sie mit der anderen Person reden oder Ihre Aufmerksamkeit schenken. Geben Sie Ihrem Hund das Gefühl, dass nichts von dem was er vorher hatte verloren ist. In ganz schweren Fällen schenken Sie Ihrem Hund anfangs mehr Aufmerksamkeit, als Ihrem neuen Partner Ihrer neuen Partnerin. Wenn der Hund den neuen Lebensgefährten/gefährtin fürchtet, lassen Sie es langsam angehen. Hier ist Abwarten und Ruhe die beste Herangehensweise. Immer wieder locken funktioniert eher selten bis gar nicht.Wenn die neue Person nicht von Hund gefürchtet wird, kann sich die Person gerne positiv einbringen, vielleicht zum Spielen einladen, vielleicht besondere Futtergaben etc.Wie ich schon schrieb, im Grunde wissen wir alle, was wir an der Stelle des Hundes brauchten. Fühlen Sie sich hinein, Ihr Hund braucht lediglich das, was wir an seiner Stelle auch brauchten.
Eifersucht auf einen weiteren Hund
Wenn ein neuer Hund einzieht verhalten Sie sich ähnlich, wie bei der Eifersucht gegenüber Menschen. Im Grunde ist egal, auf wen oder was man eifersüchtig ist, das, was wir dann so dringend brauchen, ist immer das Gleiche.Lassen Sie den neuen Hund erst einmal ankommen, schenken Sie ihm nicht die gleiche Aufmerksamkeit, wie dem „Alten“. Dieser Fehler wird leider oft gemacht und hatte teilweise verheerende Auswirkungen, die blutig endeten oder zur Abgabe des neuen Hundes führten. Gehen Sie behutsam mit der Zusammenführung um, gehen Sie sie langsam an, überlegt und empathisch. Der Neue ist ohnehin mit dem Ankommen und allen neuen Reizen in der Regel genug beschäftigt. Der neue weiß nichts über sein neues Leben und ist oft dankbar, wenn man ihn erst einmal in Ruhe lässt. In Fällen, wo der neue Körpernähe und Kontakt verzweifelt sucht, geben Sie ihm diese so, dass der andere Hund sich nicht zurückgestellt fühlt.
Hier gibt es zahlreiche Möglichkeiten, die individuell angepasst und eingesetzt werden sollten. Eine Standardlösung gibt es nicht (gibt es NIE, auch nicht bei anderen Konflikten!) Wenn mehrere Personen im Haushalt leben, können die Hunde gleichzeitig Aufmerksamkeit und Streicheleinheiten bekommen. Wenn nur eine Person vor Ort ist, kann der eine sich mit einem Futterspielzeug beschäftigen während der andere gestreichelt wird. Manchmal hilft es auch, den einen zu streicheln und den anderen zärtlich währenddessen anzusprechen. Beruhigend, kein feiiiiiiiin! In anderen Fällen kann man beide Hunde gleichzeitig streicheln. Jeder Hund, jede Situation ist anders, fühlen Sie sich hinein und reagieren Sie intuitiv, so machen wir selten Fehler. In vielen Fällen haben Hunde von Anfang an gar kein Problem mit dem Einzug eines weiteren Hundes. Im Gegenteil, er wird freudig angenommen (vorausgesetzt die Zusammenführung war ruhig, überlegt und für beide positiv).
Doch dann macht der Mensch Fehler, ohne dass es ihm bewusst ist, ohne dass er es will. Und diese Fehler können so gravierend sein, dass sich die Hunde verletzen und am Ende für immer getrennt werden müssen. Solche Fälle hatte ich leider auch schon und Sie können mir glauben, solche Entscheidungen sind kaum auszuhalten. Ein Weltuntergang für Hunde und Menschen. Was hatte dazu geführt?Ganz einfach, einer der beiden Hunde wurde immer wieder vorgezogen. Er war der Liebling, der Kleinere, der Süßere, der Schwächere, der Ältere….Es ist sicher schwer, vielleicht unmöglich, zwei Hunde (oder zwei Menschen) gleich intensiv zu lieben. Das ist per se aber nicht unbedingt ein Drama, es ist wohl menschlich. Dramatisch wird es erst, wenn es von dem weniger geliebten bemerkt wird. Wenn Sie so fühlen, lassen Sie es den Anderen auf KEINEN FALL spüren. Füttern sie zeitgleich, streicheln Sie beide Hunde gleich viel, schenken Sie beiden Hunden die gleiche Aufmerksamkeit. Niemand hat es verdient zurückgestellt zu werden! Und niemand hält das gut aus. Sollte einer der beiden Hunde mehr Schutz brauchen, weil er kleiner, älter, schwächer oder ängstlicher ist, gestalten Sie den Schutz so, dass sich der Andere nicht wertloser fühlt. Das geht!
Viele Situationen lassen sich im Vorfeld vermeiden, in dem Ruhe vermittelt wird oder die Situationen überlegt gemanagt werden.Aus meiner Erfahrung kann ich sagen: Wenn über einen längeren Zeitraum ein Hund immer bevorzugt wurde, gibt es oftmals kein Zurück. Wenn sich erst einmal durch Bevorzugung Frust und Traurigkeit festgesetzt haben, ist dieses quälende Gefühl der Eifersucht und der damit einhergehenden Wut oft nicht mehr auslöschbar. Wie bei uns Menschen auch. Eine Beziehung die zerstört ist, ist zerstört. Lassen Sie es nicht soweit kommen, forcieren Sie so ein Drama gar nicht erst. Bedenken Sie bei all Ihrem Tun, dass sie es mit fühlenden Wesen zu tun haben, die viele Jahre der Entbehrung, der Einsamkeit und der Trostlosigkeit hinter sich haben könnten.
Doch trennen Sie bitte Ihre Hunde auch nicht vorschnell, verändern Sie ggf. erst einmal Ihren Umgang mit beiden und schauen Sie, ob sich das Verhältnis nicht wieder verbessern lässt. UND bestrafen Sie niemals den Hund, der Aggressionsverhalten aufgrund von Eifersucht zeigt, denn damit verschlimmern Sie definitiv das Problem. Versuchen Sie – wie schon gesagt – stattdessen Ruhe und eine gleichmäßige Verteilung Ihrer Zuneigung einzuführen.
Anmerkung: Bitte beachten Sie, dass Aggressionsverhalten eifersuchtsbedingt, aber auch aufgrund von Angst gezeigt werden kann. Siehe vorangegangene Texte.
60. Rituale helfen
Geordnete Abläufe, Gleichmäßigkeit und Wiederholungen in Form von Ritualen können enorm hilfreich sein, um einen Hund an ein neues Zuhause zu gewöhnen. Insbesondere Hunde, die Gewalt und Angst ausgesetzt waren, profitieren von Gleichmäßigkeit und einer gewissen, gut durchdachten Disziplin. Je genauer ein Ritual eingehalten wird - das den Hund nicht überfordert - desto schneller kommt der Hund zur Ruhe. Rituale machen das Leben für den Hund einschätzbar, überschaubar. Unsicherheiten und Ängste können durch immer gleiche Wiederholungen (die nicht als beängstigend oder stressig empfunden wurden) nach und nach abgebaut werden. Tatsächlich ist nichts besser geeignet, um Ängste und Unsicherheiten zu verringern oder gar zu nehmen.Etwas, das sich ständig wiederholt, ohne dass es dem Hund Angst gemacht hat oder gestresst hat, kann als ungefährlich eingestuft werden. Damit ein Ritual so schnell wie möglich als wiederkehrende Handlung verstanden wird, ist es ratsam so gleichmäßig wie möglich die einzelnen Schritte auszuführen.
Hierzu einige Beispiele:
Leineführigkeit
Zieht ein Hund neu ein versuchen Sie den Tagesablauf für die nächsten Tage (vielleicht Wochen) so identisch wie möglich zu gestalten. Lassen Sie ihn erst einmal ankommen, damit er die unbekannten Menschen in seinem neuen Leben studieren kann. Empfangen Sie nicht gleich Besuch, gehen Sie nicht gleich mitten durch die belebte Welt. Lassen Sie ihn Haus, Garten und alles was es in seinem unmittelbaren Zuhause zu erkunden gibt, in Ruhe auskundschaften. Gehen Sie bei extrem ängstlichen Hunden anfangs einen Bogen um ihn herum, reden sie leise und auf die immer gleiche unaufgeregte Art mit ihm. Füttern Sie ihn auf die gleiche Art, berühren Sie ihn – wenn es der Hund wünscht – auf die gleiche Art. Bewegen Sie sich auf die gleiche Art, so weit es möglich ist.
Leine/Brustgeschirr
Viele Hunde haben in der Vergangenheit Menschen gewaltvoll und angsteinflößend erlebt. Anleinen ist daher häufig mit viel Angst oder Stress verbunden. Manche Hunde versuchen mit Angst-Schnappen diese vermeintlich gefährliche Situation abzuwenden. Überlegen Sie sich ein ruhiges Ritual, nicht im engen Flur, lieber in einem ruhigen Raum. Reden Sie leise mit ihm, damit er anhand Ihrer Tonlage Ihre freundliche (ungefährliche) Absicht erkennen kann. Beugen oder hocken Sie sich seitlich (nicht von vorne, nicht über den Hund gebeugt) neben Ihren Hund, halten Sie ein Superleckerchen in der einen Hand und streifen Sie mit der anderen Hund das Brustgeschirr ruhig über den Kopf. Lassen Sie Ihren Hund Futter vom Boden aufnehmen, während Sie - weiterhin leise und freundlich mit ihm redend - die Schnappverschlüsse schließen. Langsame ruhige Bewegungen und eine identische Vorgehensweise sind das A und O. Identisch heißt: Immer im gleichen Raum, immer auf der gleichen Seite hockend oder gebeugt, immer Futter, immer die gleiche unaufgeregte, zärtliche Ansprache. Achten Sie dabei darauf, dass Sie im Ton nicht noch oben gehen, also kein feiiiiin, sondern lassen sie die Worte am Ende im Tonfall abfallen, z.B. alles ist guuuut. Reden Sie mit ihm, wie man mit Ihnen reden müsste, wenn Sie sich ängstigen. Das Anleinen erfolgt auf die gleiche Art.
Draußen
Gehen Sie, bis Ihr Hund keine Unsicherheit, Ängstlichkeit draußen mehr zeigt, immer den gleichen, ruhigen Weg. Führen Sie ihn wenn möglich so, dass Sie immer zwischen ihm und den Autos, dem Verkehr sind. Führen Sie ihn nicht an der langen Leine. Suchen Sie eine geeignete Stelle, an der Sie die Straße ggf. überqueren können und überqueren Sie fortan immer genau an dieser Stelle (wenn es die Situation zulässt. Führen Sie Stopps ein an den immer gleichen Stellen (Verkehrsschild, Mauer, Zaun was auch immer) und bieten Sie ihm Futter an. Führen Sie Ihren Hund so ruhig wie möglich, immer auf der gleichen Seite und lassen Sie ihn schnuppern, wann immer es etwas zu erkunden gibt. Sollte Ihr Hund in der ersten Zeit (Tage, Wochen, Monate) aufgrund von Stress ziehen, üben Sie auf KEINEN FALL Leinenführigkeit! Ein Training in der Zeit verschlimmert die Situation immens. In solchen Fällen verkürzen Sie die Runde oder bleiben erst einmal im Garten oder mindestens nah beim Haus.
Hundebegegnungen
Ritualisieren Sie auch die Begegnung mit Hunden. Sie wissen nicht, ob Ihr Hund es gelernt hat angeleint sich einem fremden Hund zu nähern (dazu diverse Texte auf meiner HP). Ruhe, Gleichmäßigkeit und Distanz sind die Zauberworte. Bringen/zwingen Sie Ihren Hund NICHT ins Sitz oder Platz. Stellen Sie sich ggf. seitlich zwischen ihm und den anderen Hund und nehmen Sie dabei so viel Raum wie möglich ein, indem Sie ein Bein weiter vorne aufstellen. Bieten Sie Futter an und reden Sie leise und UNAUFGEREGT mit Ihrem Hund. Bedenken Sie: Ihr Hund wird jede Situation auch danach bewerten, wie Sie sich verhalten, bzw. wie Sie sie bewerten. Sind Sie aufgeregt, wird es Ihr Hund wahrscheinlich auch sein.
Menschenbegegnungen draußen
Führen Sie in der ersten Zeit den Hund erst einmal auf die andere Straßenseite und benennen Sie dieses Ausweichen, damit es einschätzbar wird. Nennen Sie es „rüber“, „Distanz“ oder was auch immer und führen Sie ihn dann aus der „Schusslinie“. Beobachten Sie das Verhalten des Hundes, seine Anspannung, Aufregung oder vielleicht auch Gelassenheit. So werden Sie erkennen, wann und bei wem ein Seitenwechsel evtl. nicht mehr erforderlich ist.
Besuch
Das Klingeln an der Tür ist der Beginn für das Besuchsritual. Führen Sie Ihren Hund, am Besten am Brustgeschirr von der Tür weg und bringen Sie ihn zu seinem Platz, der ruhig gelegen sein sollte (nicht im Flur oder einer engen Stelle, an dem der Besuch vorbei marschiert). Bringen Sie ihm durch Rituale bei, dass er erst einmal auf Distanz bleiben soll. Das tut in der Regel nicht nur dem Hund gut, sondern auch vielen Besuchern. Bedenken Sie auch hier: Je genauer Sie sich dabei an Gleichmäßigkeit halten, desto schneller wird es dankbar als Ritual erkannt und angenommen. Auch zu diesem Thema finden Sie auf meiner HP unter der Rubrik „Grundsätzliches“ weitere hilfreiche Tipps. Kleinere Hunde können durchaus dankbar sein, wenn Sie erst einmal auf den sicheren Arm dürfen, vorausgesetzt Ihr Hund kennt das und vertraut Ihnen. Auch das wäre ein hilfreiches Ritual.
Es gibt noch viele weitere Situationen wie Autofahren, Tierarzt oder was auch immer, bei denen Rituale äußerst hilfreich sind. Sobald der Hund sich deutlich entspannt hat, können Sie die Gleichmäßigkeit etwas vernachlässigen, aber bitte nicht zu früh. Besuchsrituale sollten unbedingt beibehalten werden. Auch Hundebegegnungen sollten niemals ganz aufgehoben sondern nur entsprechend den Situationen angepasst werden.
61. Freudlosigkeit
Anhand der Geschichte von Soul, die nun knapp 3 Jahre bei uns lebt, möchte ich aufzeigen, dass Hunde so schwer traumatisiert sein können, dass sie ein Gefühl wie Freude, Glück oder Geborgenheit gar nicht kennen. Diese Hunde wirken desinteressiert, undankbar und eigensinnig. Eine Fehlinterpretation.
Soul, stellvertretend für viele ihrer Leidensgenossen (und Genossinnen) wurde auf der Straße, zusammen mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern in der Türkei von Hundefängern eingefangen und in einen städtischen Zwinger gebracht. Wir können uns wohl alle vorstellen, dass ein städtischer Hundezwinger in der Türkei kein schöner Ort ist. Viele Hunde überleben diese Inhaftierung dort nicht. Soul und ihr kleines Rudel (Mama und Geschwister) aber hatten Glück, sie wurden von einer hiesigen Tierschützerin dort rausgeholt und in ein privates Tierheim gebracht, wo das Leben weit weniger gewaltvoll und angstbesetzt ist. Doch für Soul war auch diese Unterbringung mit viel Angst verbunden, denn die Hunde leben dort in einer großen Gruppe, wo Stärke und Selbstbewusstsein regieren. Beides Eigenschaften, die Soul gar nicht kennt.
Die Übergriffe der anderen Hunde auf Soul waren so massiv, dass man sie nach geraumer Zeit nur noch bei den Welpen unterbringen konnte. Doch auch hier fühlte sie nicht sicher und war konstant in Angst. Da es auch inmitten der Welpen keinen Ort gab, an dem sie sich vor den Attacken in Sicherheit bringen konnte, grub sie sich in den Boden ein. Soul lag immer allein in ihren ausgebuddelten Gruben, fand niemals Anschluss und konnte wahrscheinlich niemals ein Gefühl von Bindung aufbauen. Nicht mal zu ihren Geschwistern und ihrer Mutter, die ja auch – jeder für sich- um das nackte Überleben gekämpft hatten. Als wir Soul endlich hier bei uns hatten, blieb sie fast 48 Stunden wach.
Sie hatte so große Angst, dass sie nicht schlafen konnte. Sie heulte wie ein Wolf und zitterte konstant. Sobald ich den Raum verließ suchte sie verzweifelt einen „Ausgang“, während sie in unsere Nähe weitestgehend bewegungslos blieb. Wir liefen wochenlang einen deutlichen Bogen um sie herum, redeten leise und sanft mit ihr, um ihr so gut es geht unsere freundlichen Absichten zu verdeutlichen. Nachdem ich sie die ersten Tage nach draußen brachte, damit sie lernen konnte, draußen ihre Geschäfte zu verrichten, entschied ich mich, ihr diese zusätzliche Belastung zu ersparen und sie durfte sich erst einmal nur in der Wohnung ein sicheres Plätzchen suchen. Rausgehen bedeutete mit einer Leine an mich gebunden zu sein und dafür fürchtete sie mich einfach noch viel zu sehr. In den nächsten Wochen zeigte ich ihr die belebte Welt nur durch die Fensterscheibe oder vom Balkon aus der zweiten Etage. Sobald sich irgendetwas draußen bewegte setzte wieder ein heftiges Zittern ein. Ihre Geschäfte machte sie notgedrungen in die in die Wohnung, was ich jedes Mal ruhig und ohne schnelle Bewegungen beseitigte. Nach ca. 3 Wochen versuchte ich es erneut mit ihr raus zu gehen, nur auf dem Hauseigenen PKW-Abstellplatz, und sie lernte schnell sich dort zu erleichtern. Die Welt hinter dem Zaun zu erkunden, also durch die Straßen gehen, war absolut unmöglich, sie konnte vor lauter Angst keinen Schritt tun.
Nicht nur, dass sie die Straßen mit all ihren Reizen ohnehin als gefährlich kennengelernt hat, sie war nun auch noch festgebunden an einen Menschen, dem sie immer noch nicht vertrauen konnte! Diese Angst hat sich nach fast drei Jahren gebessert. Während sie in den Straßen immer noch sehr unsicher ist, läuft sie im Wald und in der Feldmark recht sicher und ruhig. Für all jene, die denken, nach 3 Jahren muss jetzt aber mal „gut sein“: Wenn wir durchgemacht hätten, was Soul und all die anderen Hunde durchgemacht haben, würden wir wahrscheinlich nicht mehr das Haus verlassen. Wir sollten nichts erwarten, was wir selbst nicht leisten könnten! Wie bei menschlichen Angstpatienten auch, gibt es Hunde die besser oder schlechter lernen können, ihre Ängste abzubauen. Eine völlige Angstüberwindung dagegen ist ausgesprochen selten, wenn überhaupt möglich. So müssen wir bei Hunden wie Soul immer im Hinterkopf behalten, dass sie mehr oder weniger immer in diesem Gefühl des Ausgeliefertseins hängen bleiben werden. Es wird daher – mehr oder weniger- stets meine Aufgabe sein, Soul so durch das Leben zu führen (und mich Soul so gegenüber zu verhalten), dass sie sich sicher fühlt.Wie Ängste abgebaut werden können finden Sie in vorangegangen Texten.Doch, wie es die Überschrift schon vermuten lässt, ist nicht nur die Angst eine große Baustelle von Soul, es ist auch ihre Freudlosigkeit. Freude ist immer mit dem Gefühl von Sicherheit verbunden! Soul liegt den größten Teil des Tages abseits auf ihrem kleinen erhöhten Sofa in der hintersten Ecke der Wohnung. Wände geben Sicherheit. Soul reagiert so gut wie gar nicht auf Ansprache, einzig Futter lässt sie kommen. Schnell könnte man dieses Verhalten als ignorant, dickköpfig oder starrsinnig bezeichnen, aber all das trifft nicht zu. Soul kommt nicht, weil sie nicht gelernt hat, eine Beziehung aufzubauen.
Soul hat sich zeitlebens in sich zurückgezogen, war allein inmitten von einer Welt, die sie fürchtete. Soul hat wahrscheinlich vor uns niemals ein Gefühl von Glück oder Freude empfunden, sie kennt diese Gefühle schlicht nicht. Soul‘s Freudlosigkeit zeigt sich auch in ihrer Bewegungsarmut. Sie geht nicht einfach an der Leine wie andere Hunde. Soul geht ausgesprochen langsam und sie bleibt sehr oft stehen, um zu schauen und Gerüche in der Luft zu analysieren. Für Soul ist die Welt kein verheißungsvolles Abenteuer. Sie hat keine Freunde, auf die zu treffen hofft. Keine Orte, die es zu erkunden gilt.Doch wie so oft zahlt sich Beharrlichkeit, Geduld und Liebe aus. Nach nun fast drei Jahren, fängt sie an mir in die Augen zu sehen, nicht nur für einen flüchtigen Moment, um mich einzuschätzen, sondern weil sie mit mir anfängt zu kommunizieren. Und sie hat nun auch schon zwei drei Mal auf mein Rufen reagiert, ohne dass ich Futter in der Hand hielt. Wahre Glücksmomente für mich. Soul möchte irgendwie berührt werden, aber hält es auch kaum aus. Sie spannt die Muskeln an und traut sich nicht mehr zu bewegen. Das heißt: Weniger ist mehr. Nur kurz, nur zart und aufhören. Mein nächstes Ziel ist so etwas wie Spielfreude in ihr zu wecken.
Auch daran arbeite ich schon lange. Ich werfe kleine Leckerchen auf den Boden, hinter denen sie her laufen soll. Die meisten Häppchen davon muss ich selbst wieder aufheben, weil sie nicht mitspielt. Aber neuerdings gelingt es mir immer öfter sie aus ihrer Lethargie zu reißen und sie trabt los. Nicht schnell, nicht wirklich begeistert, aber immerhin.Warum schreibe ich so ausführlich über meine Soul? Weil es viele Hunde mit schlimmen Schicksalen und schweren Traumata gibt! Das größte Problem ist, wenn diese Hunde dann auf Menschen treffen, die sich einen Hund geholt haben, weil sie einen Hund „haben wollen“ und entsprechend Erwartungen an diese richten. Solche Konstellationen enden selten glücklich.
Der Mensch ist von seinem scheinbar „undankbaren“ Hund enttäuscht, während das Martyrium des Hundes nicht endet.Hunde wie Soul müssen verstanden und „gerettet“ werden. Erst viel später, wenn sich ein Gefühl von Sicherheit und vielleicht auch etwas Freude im Leben des Hundes eingestellt hat, können wir uns unseren Erwartungen widmen und schauen, ob sich ein paar davon mit dem Hund umsetzen lassen. Wir dürfen nie vergessen, dass die Hunde aufgrund ihrer Unterlegenheit dem Menschen gegenüber, immer die Opfer waren und schnell durch unsere Gedankenlosigkeit weiter die Opfer bleiben.
Hunde wie Soul können uns aber auch auf eine ganz besondere Art berühren, wenn sie durch unsere besonnene Art, Ruhe, Geduld und Liebe doch noch aus ihrer Freudlosigkeit erwachen. Wenn man das erste Mal so etwas wie Glück in ihren Augen sieht. Wenn man die Momente teilt, in denen die Hunde langsam zu leben beginnen. Wenn wir in der Lage sind zu lieben, obwohl der Hund solche Gefühle lange nicht erwidern kann, können daraus Beziehungen stehen, die tiefer gehen, als wir uns es je hätten vorstellen können.
Es sind viele kleine Schritte nötig, um diese Hunde aus ihrem Gefängnis der Freudlosigkeit zu befreien. Um etwas in ihnen zu wecken, was vorher noch nie da war: Glück.
62. Phänomen "bei mir macht er das nicht"
Meist sind es Hundebegegnungen, die mit „Herrchen“ gut klappen und mit dem „Frauchen“ so gar nicht. Oder umgekehrt. Die weitverbreitete Überzeugung ist, dass das schlicht daran liegt, dass der Eine dem Hund mehr Sicherheit geben kann, während der Andere seine eigene Angst auf den Hund überträgt. Aggressionsverhalten gegenüber Artgenossen ist in den allermeisten Fällen eine Angst-Aggression.
Wenn der Hund also aufgrund von Angst dieses Verhalten zeigt, ist es das A und O dem Hund so viel Sicherheit wie möglich zu geben. Fühlt er sich sicher, wird er entweder ruhig an dem anderen Hund vorbei gehen oder hin wollen, weil er Kontakt möchte.
Mein Leitsatz: Erst verstehen, dann handeln. Und am besten vorschnelle Interpretationen tunlichst vermeiden, denn wie in diesem Beispiel sind viele Überzeugungen schlicht falsch!Natürlich spürt, hört, riecht der Hund unsere Angst und natürlich kann eine Angstverstärkung oder gar eine Angstübertragung stattfinden. Aber ist das in diesem Fall wirklich die einzig richtige Erklärung?
NEIN. Das Phänomen „bei mir macht er das nicht“ basiert in den meisten Fällen auf einer ganz anderen Tatsache: Der Hund fürchtet den Menschen am anderen Ende der Leine mehr, als das, was ihm entgegen kommt.
Machen wir uns nichts vor: Gewalt und Einschüchterung durch Leinenruck, stimmlicher Drohung, Schmerzzuführung durch würgen, schlagen, kneifen, runterdrücken etc. sind die Mittel der Wahl, um Hunde unter Kontrolle zu halten und zu „trainieren“. Wenn Sie es also schaffen, dass der Hund SIE mehr fürchtet als alles andere, dann wird er sich nicht trauen „aus der Reihe“ zu tanzen.
Der Satz „bei mir macht er das nicht“ kann also durchaus einen sehr dramatischen Hintergrund haben und ist in der Regel nichts, worauf wir stolz sein könnten.
63. Regeln lernen, Verhaltenskorrektur
Stellen Sie sich einmal folgendes vor: Sie sind (wieder) jung und ziehen in eine WG. Weit weg von zu Hause und allem was Sie kennen. Mit jeder Menge schlechter Erfahrungen im Gepäck. Entsprechend schüchtern und unsicher. Vielleicht sogar ängstlich. Ihre neuen Mitbewohner sprechen nicht Ihre Sprache und sind überhaupt ganz anders als Sie. In Ihrem neuen Zuhause kennen Sie weder die Gewohnheiten noch die Regeln. Sie wissen nicht, wem Sie trauen können bzw. ob Sie überhaupt jemanden trauen können. Und all das wird durch einen weiteren Umstand um ein vielfaches verschlimmert: Bei jedem Regelverstoß werden Sie drohend angefahren, ohne dass sich irgendjemand je die Zeit genommen hätte, Ihnen die Regeln mitzuteilen. Jeder Regelverstoß wird mit einem scharfen NO quittiert. Ein scharfes NO, dass nichts anderes bedeutet als: WEHE! Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie sich schnell einleben, wohl und sicher fühlen? Stellen Sie sich genau das einmal vor und lassen Sie es einen Moment auf sich wirken bevor Sie weiterlesen.…
Nun können Sie sich vielleicht ungefähr vorstellen, wie es ist, wenn ein Hund irgendwo neu einzieht. Und ein Hund war weder auf den Umzug vorbereitet noch war es seine Entscheidung!
Statt dem Hund die Regeln in Ruhe und freundlich beizubringen, fällt uns nichts anderes ein, als ihm jedes Mal stimmlich zu drohen. Denn ob AUS oder NEIN, die Wirkung dieser Worte liegt einzig in der darin mitschwingenden Drohung. Für Hunde, die ohnehin ausreichend schlechte Erfahrungen mit Menschen gemacht haben- und das sind die meisten- ist diese Vorgehensweise absolut ungeeignet. Diese Hunde sind ständig auf der Hut, kommen nicht zur Ruhe, weil sie nicht wissen, was erlaubt ist und was nicht. Diese Hunde laufen jederzeit Gefahr, wieder bedroht zu werden.
So eine angespannte Gefühlslage blockiert den Hund zusätzlich in seiner Lernfähigkeit. Und diese Lernblockade verschärft die ganze Situation noch einmal, weil der Hund nicht sicher zuordnen kann was er falsch gemacht hat! Somit wird er weit länger brauchen, um unsere Drohungen mit seinem Verhalten sicher zu verknüpfen. Dem Ganzen setzen wir dann noch die Krone auf, indem wir behaupten der Hund wäre dreist, dominant, unverschämt oder bestenfalls „nur“ dumm. Diese Fehlinterpretationen haben zur Folge, dass der Mensch künftig noch lauter, noch drohender und vielleicht auch noch gewaltvoller reagieren wird. Ein Teufelskreis.Am Ende kommt der Hundetrainer mit Schepperdose, Wurfkette, Wasserpistole und ähnlicher Spezialausrüstung und erklärt Ihnen voller Entrüstung, dass Ihr Hund dominant ist bzw. Ihnen auf der Nase rumtanzt. …Ich erspare es Ihnen das Ganze hier noch einmal aus der Sicht der Hunde zu verdeutlichen. Wir müssen den Hunden nur in die Augen sehen, dann wissen wir Bescheid.
Meine wiederholte Bitte:
Nehmen Sie sich Zeit und denken Sie sich in die Situation des Hundes!
Denken Sie sich IMMER in die Situation des Hundes hinein, bevor Sie auf ihn einwirken. Betrachten Sie das Geschehene aus SEINEN Augen. Es ist so einfach fair zu sein. Sie werden staunen und wohlmöglich beschämt sein.Wie könnte man es also besser machen? Ganz einfach: Pfeifen Sie, schnalzen Sie, sagen Sie einfach PIEP oder machen Sie ein anderes Geräusch, um ein Verhalten zu unterbrechen. Einem Geräusch schwingt nie eine Drohung mit (es sei denn der Hund hat gelernt, dass z.B. nach dem Pfiff immer etwas Übles folgt). Wichtig ist, dass nach dem Piep/Signalton/Geräusch dem Hund ruhig und freundlich gezeigt wird, was er nicht soll bzw. was er soll. So sieht effektives Training aus. Beispiele:
• Vorderbeine auf dem Tisch->Piep->ruhig und freundlich vom Tisch wegschieben…
• Hund kaut am Teppich->Piep->ruhig und freundlich den Fuß auf die Teppichstelle stellen oder Hand/ Buch oder sonstiges darauf legen.
• Hund springt auf den Lieblingssessel->Piep-> ruhig und freundlich herunter heben oder freundlich herunter schieben…
• Hund will sich in der Wohnung erleichtern->Piep-> ruhig und freundlich rausbringen oder tragen.
• usw.
So lernt der Hund Ihre Regeln (und ich sage bewusst Ihre Regeln, denn ob der Hund mit aufs Sofa oder Bett darf, ist alleine Ihre Entscheidung). Behalten Sie auch im Hinterkopf, dass es immer einige Wiederholungen braucht, bis eine Regel verstanden wurde. Und behalten Sie bitte auch im Hinterkopf, dass weiche insbesondere erhöhte Plätze von Hunden ganz besonders geliebt werden (Höhe gibt Sicherheit). Bei Dingen, die dem Hund sehr wichtig sind, wie erhöhte Plätze oder Futter, sollten Sie bei Regelverstößen wohlwollend, freundlich und ein wenig geduldiger sein. Anmerkung: Wenn ein Verhalten aufgrund von Stress gezeigt wird, gilt all das natürlich nicht! In solchen Fällen versuchen Sie den Hund stimmlich zu beruhigen (feiiiiiiiin ist nicht beruhigend!
Sagen Sie stattdessen „alles ist guuuuuuuut“ im Tonfall abfallend, ruhig und leise gesprochen), bringen Sie insgesamt Ruhe in die Situation, evtl. Distanz aufbauen und vielleicht auch Leckerchen ins Spiel bringen.Zu drohen und zu strafen im Umgang mit Hunden (Tieren) ist für uns völlig normal. Uns fällt gar nichts anderes mehr ein, um ein unerwünschtes Verhalten zu verändern.
Nur drohen und strafen. Gehen Sie in die Hundeschule lernen Sie drohen und strafen. Schauen Sie TV-Shows lernen sie drohen und strafen. Fragen Sie Ihren Nachbarn lernen Sie drohen und strafen. Völlig normal.
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